Kolumne: Queer Royal - Georg Kasch über Mecklenburg-Vorpommerns anti-queeres Coming Out
Caitlyn Jenner auf Usedom
von Georg Kasch
6. September 2016. Am Tag nach der Mecklenburg-Wahl fragte ein Bekannter: Gut 20 Prozent für die AfD, und in meinem Freundeskreis gibt’s kaum Kommentare dazu? Ich finde das nicht erstaunlich, denn das Resultat ist nicht so dramatisch ausgefallen, wie ich befürchtet hatte – ich habe es für möglich gehalten, dass die AfD stärkste Kraft wird. Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern, da muss ich mir nichts vormachen. Schauen Sie sich mal die Zahlen von Usedom an, dann wissen Sie, was ich meine.
Wie also darauf reagieren? Bislang war ein weit verbreitetes Mittel: der Spott. Macht Spaß, zeigt lässig die eigene Überlegenheit. Aber vielleicht ist jetzt auch mal gut mit "Die sind alle blöd". Schließlich haben die Menschen ihre Gründe, AfD zu wählen. Die meisten wollten den etablierten Parteien eins in die Fresse hauen, weil sie das Gefühl haben, nicht ernstgenommen zu werden mit ihren diffusen Ängsten. Mit ihren Verlustgefühlen, weil sich Dinge ändern. Dinge, die vertraut sind, ein Gefühl von Zuhause vermitteln, die scheinbar immer da waren. Sie verändern sich als direkte Folgen von Globalisierung und zunehmend ungebremstem Kapitalismus.
An Widersprüche gewöhnt oder auf Suche nach Sündenböcken
Diese Folgen kann man auch als Nicht-AfD-Wähler kritisieren, das tun wir eh, und in Sachen Veränderung müssen wir nur an TTIP und CETA denken, damit klar wird, dass die Menschen links der Mitte damit auch ein Problem haben. Nun sind Globalisierung und Markwirtschaft ziemlich unkonkrete, unbegreifbare Feindbilder, außerdem viel zu eng verwoben mit unser aller Leben, als dass man da problemlos in Gut und Böse trennen könnte. Versuchen Sie’s mal: Reisen ohne Pass? Gut. Lohndumping in Fernost? Böse. Freier Warenverkehr? Ähm... Eben. Der liberale Großstädter hat sich also längst an den Widerspruch gewöhnt, in einer Welt zu leben, die zunehmend fremdgesteuert erscheint, und sich dabei in seiner Nische irgendwie eingerichtet. Weil er weiß, dass einfache Antworten der Welt, wie sie ist, nicht gerecht werden. Dem vorpommerschen AfD-Wähler, der das Gefühl hat, die in Schwerin haben ihn vergessen (und die in Berlin und in Brüssel sowieso), gibt fassbaren Sündenböcken die Schuld. Den Ausländern. Der ganzen Liberalisierung, auf allen Gebieten. Dieser Gender-Sache. Früher haben doch auch zwei Geschlechter gereicht, oder? Da kommt die AfD gerade recht.
Das ist schlicht, durchschaubar. Trotzdem (oder gerade weil) gibt es auch queere AfD-Wähler*innen. Politiker*innen sowieso: Jana Schneider, lesbische JA-Vorsitzende in Thüringen. Frank-Christian Hansel, Schöneberger Kandidat für das Berliner Abgeordnetenhaus. Mirko Welsch, Bundessprecher der "Bundesinteressengemeinschaft Homosexuelle in der AfD". In MV hat es jetzt Thomas de Jesus Fernandes ins Parlament geschafft, der mit einem Mann verpartnert ist, dessen Namen er angenommen hat.
Warum? Auch hier könnte man es sich wieder einfach machen: Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber. Man kann aber auch feststellen, dass es queere Menschen gibt, die in Flüchtenden eine Bedrohung sehen – ihres Lebensmodells, ihrer wirtschaftlichen Umstände – und für die wertkonservativ noch eine freundliche Umschreibung ist. Nicht nur in Deutschland: Die US-amerikanische Transfrau Caitlyn Jenner setzt sich ja auch für Donald Trump ein.
Lange hat es die AfD ihrer queeren Klientel nicht einfach gemacht, das rechte Auge zuzudrücken. Björn Höcke bezeichnete Gender-Mainstreaming als "Geisteskrankheit", Beatrix von Storch nannte es eine "politische Geschlechtsumwandlung". Eine Thüringer AfD-Abgeordnete sorgte für Aufregung, als sie bei der Landesregierung nachfragte, wie viele homosexuelle Menschen in ihrem Bundesland leben.
Weniger heiß als gekocht?
Neulich aber ließ sich Beatrix von Storch, jahrelange Mitorganisatorin der Demo für Alle, beim lesbischwulen Stadtfest im Nollendorfkiez blicken (und von einer engagierten Dragqueen vertreiben). Und Frauke Petry, das Covergirl der AfD, sagte im Interview mit Thilo Jung: "Also die AfD akzeptiert, dass es gleich geschlechtliche Lebenspartnerschaften gibt, dass es auch eine steuerliche Gleichstellung gibt, so wie es der Status Quo ist", dann klingt das doch alles weniger heiß, als es in den Medien und der Community gekocht wird. Außerdem müssen wir uns nichts vormachen: Mit Gender und Queer Theory haben es auch viele Lesben, Schwule und Trans-Menschen nicht so.
Was tun? Weiterhin genau hinschauen. Denn bei dem zitierten Satz belässt es Petry nicht. Indirekt zitiert sie nämlich eine der Lieblingstheorien der neuen Rechten, die von der Verschwulung der Welt: "Und wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fast kein Spielfilm in Deutschland mehr damit auskommt, ohne das schwule Pärchen, das dann ganz toll gefunden wird von Mutter und Vater, die nach Hause kommen [...] dann möchte ich einfach nicht, dass das zum Standard erhoben wird. Ich akzeptiere, dass das so ist, weil die Menschen so sind wie sie sind und weil es Schwulsein zu allen Zeiten gegeben hat und es im alten Griechenland auch schonmal schick war, dass Männer eher mit Männern Sex hatten anstatt mit ihren Frauen, die primär zum Kindergebären da waren."
Das ist wieder typisch AfD: eine Halbwahrheit, im Brustton der Überzeugung hingestanzt. Sollte sich jemand beschweren, wird man’s mal wieder nicht so gemeint haben (oder der Praktikant ist auf der Tastatur ausgerutscht...) Dass die Päderastie der alten Griechen viel mit einer in unseren Augen merk- (und straf-)würdig erscheinenden Form von Bildungsvermittlung, Macht und Erziehung zu tun hatte – Schwamm drüber, die Frau ist ja keine Historikerin. Dass schwul und Homosexualität Konzepte des späten 19. Jahrhunderts sind und sich nicht auf Jahrtausende alte Kulturen anwenden lassen – dito. Dass jetzt ausgerechnet aber eine AfD-Frontfrau kritisiert, Frauen seien in der Antike zu Gebärmaschinen degradiert worden, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Ist nur nicht zum Lachen.
Georg Kasch, Jahrgang 1979, ist Redakteur von nachtkritik.de. Er studierte Neuere deutsche Literatur, Theaterwissenschaft und Kulturjournalismus in Berlin und München. In seiner Kolumne "Queer Royal" blickt er jenseits heteronormativer Grenzen auf Theater und Welt.
Zu allen Queer-Royal-Kolumnen von Georg Kasch: hier entlang.
Wir bieten profunden Theaterjournalismus
Wir sprechen in Interviews und Podcasts mit wichtigen Akteur:innen. Wir begleiten viele Themen meinungsstark, langfristig und ausführlich. Das ist aufwändig und kostenintensiv, aber für uns unverzichtbar. Tragen Sie mit Ihrem Beitrag zur Qualität und Vielseitigkeit von nachtkritik.de bei.
mehr Kolumnen
neueste kommentare >
-
Medienschau Volksbühnen-Chance Basel-Modell statt nur Namen
-
Medienschau Volksbühnen-Chance Dreamteam
-
Biedermann & Brandstifter, Zürich Stemann pur
-
Preisjury Mülheim Zeit für Neuanfang
-
Orpheus steigt herab, Wien Unruhe
-
Medienschau Volksbühnen-Chance Ostereier und gutes Doppel
-
Der große Wind der Zeit, Stuttgart Nachfrage
-
Medienschau Volksbühne Avantgarde und Klassenkampf
-
Orpheus steigt herab, Wien Kassenschlager
-
Auswahl Mülheim Strukturproblem?
Auch der herumgendernde Transexuelle, der sich nicht entscheiden kann und switchen möchte zwischen den Geschlechtern, ist nicht Weißichnichtsogenau, sondern eindeutig männlichen oder weiblichen Geschlechts von Geburt an. Und nur in ganz seltenen, medizinisch relevanten, in der akut notwendigen Gender-Diskussion momentan zurückstellbaren Fällen, liegt eine echte Zwittrigkeit von Geburt an vor.
Erfreulich aber, dass jemand sagt Schwulsein oder Homosexualität seien ein Konzept. Des späten 19. Jhdts. Da können Schwule, Lesben und Homosexuelle, Transsexuelle und auch die kleinen vermeintlich geschlechtslosen Marsmännchen, die bei Facebook ihr Geschlecht als Manga angeben, zunächst erst einmal darüber ganz allein diskutieren, ob das nun so ist oder nicht. Als Hetero denkt man da nur: Hallo, bin ich dann demzufolge ein Kein-Konzept? Und das TRADITIONELL schon seit Jahrtausenden??!! Samt meiner gewusst wie-gemachten, ausgetragenen, selbst in die Welt gepressten und bis heute ertragenen Kinder?
Fakt ist auch: Frauen, denen von männlichen Staatskonzepten (man denke zum Beispiel Platons "Staat") die Erziehungs- und Bildungskomnpetenz für ihre Kinder so weit abgesprochen wird, dass die Kinder im KINDESalter in staatliche Erziehung mit Staatsräson gezwungen werden, werden allerdings zu Gebärmaschinen degradiert. Allerdings werden die Männer, die diese Kinder GERN mit ihren (oder anderen) Frauen gemacht und bis an die staatliche Erziehung heran liebevoll aufgezogen haben, durch solche Staats-Konzepte auch zu Sex-Maschinen degradiert. Weil nämlich ihr Nachwuchs nur zu optional militärischen Zwecken, was den männlichen Nachwuchs betrifft, und der weibliche Nachwuchs nur zum Zwecke des Gefallens für zeugende Sex-Maschinen herangezogen werden. Sozusagen Staat als reines Konzept der militanten Verteidigung und Anhäufung von Staatsetat.
Insofern birgt Homosexualität als KONZEPT revolutionäres Potential. Die Frage ist nur: ist sie NUR ein Konzept??? Eine Frage, die ausschließlich Homosexuelle beantworten können. Weil nur diese wissen, wie sich Homosexualität emotional anfühlt und psychosozial bei speziell ihnen auswirkt.
Das Problem, das wir in der Gender-Diskussion haben, ist, dass philosophisch immer darauf zurückgegriffen wird, dass wir heute in der Zeit des performten Geschlechtes leben würden.
Und das ist philosophisch schick, aber medizinisch einfach nicht wahr. Wir leben in der Zeit des performten W u n s c h-Geschlechtes.
Das ist zum performten Geschlecht ein sehr sehr großer Unterschied.
Und zwischen beidem befindet sich die Schlucht, in der, wenn wir uns nicht schleunigst in eine humanmedizinisch relevant genauere Gender-Diskussion begeben, unsere Humanität vom sich global militarisierenden Kapital verschlungen wird.
Es gibt bestimmt queere Menschen, die wie andere auch Texte verfassen.
Und vielleicht beginnt die von "Florian" konstatierte Krise der Texte zu den Genderfragen bereits da, dass man denken kann, dass Texte von queeren Menschen "queere Texte" sein müssen. Das ist ungefähr so, als würde man behaupten, dass Texte von Männern männlich und Texte von Frauen weibliche Texte seien.
Es wäre dann möglich, dass dann auch Texte, die Genderfragen berühren, eben sich nicht eindeutiger zu bestimmten Sachverhalten der Flüchtlingspolitik weltweit und eben auch nicht zur AfD äußern können. Weil sie ja schon mit ihrem eigenen Text als Ausdruck von Geschlecht nicht klarkommen.
Soweit ich das einschätze, entzündet sich die Frage der Sexualität bei der AfD vor allem an der Einführung einer bestimmten Form von Sexualerziehung, die eben den intimsten Bereich der Erziehung in staatliche Obhut legen will, ohne die Erziehungskompetenzen der Eltern anzuerkennen. Und darüber muss man sehr wohl reden. Und hier scheinen mir sehr wohl insbesondere queere Menschen nur mit ungenügendem Augenmaß für die Realitäten bei der Kindererziehung übererregt zu reagieren mit ihren Forderungen und darin unterstützt zu werden. Das ist nur ein Verdacht, eine Vermutung, mehr Ahnung aus Beobachtung von Ferne als Wissen. Ich möchte es aber zu bedenken geben. Auch queeren Menschen, ob da was dran sein könnte. Dann kann man Frau Petry vielleicht auch etwas Vernünftiges auf etwas Halbvernünftiges sagen. Und nur so schwächt man die aggressiv nationalistischen Ränder.
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass Georg Kasch die Wahlen hier nur gebraucht, um erneut - wir wissen es ja nun bereits - sein queeres Plädoyer in die Welt zu setzen (apropos, hat er eigentlich Kinder?), was ja auch okay ist, aber mit der tatsächlichen Problematik der AfD in meiner Wahrnehmung nichts zu tun hat. Diese Partei sagt, sie sei eine politische Alternative, tatsächlich aber ist sie ein Auffangbecken für die Spaltung der Gesellschaft, für die Spaltung zwischen verschiedenen Menschengruppen, die sich solidarisieren könnten und müssten, um zu verhindern, dass eine Partei sie gegeneinander ausspielt und am Ende nur einer gewinnt, der globale Finanzkapitalismus bzw. die Menschen, die von ihm profitieren.
Irgendwie kann aber wohl jede/r die AfD benutzen, um sich selbst als Minderheit abgelehnt und somit als Opfer bzw. als (be)schützenswert zu stilisieren. Anstatt sich im Gegenteil über die Einbeziehung von Unterschieden gemeinsam stark zu machen gegen eine gedankenlose Propaganda.
Wenn das den Inhalt betreffend das gleiche kommunikative Niveau haben sollte, müssten eigentlich "queere" Texte, wie Sie sie zu meinen scheinen, "queeristische" Texte heißen. Und das ist ein entscheidender Unterschied zu dem, was als "queere Texte" behauptet wird.
Als die Kasch-Texte hier wären dann nach meiner Ansicht "queeristische Texte". Nicht immer royale, aber immer am Thema der Homosexualität wie der dargestellten Homosexualität wie anderen Formen der Sexualität oder dargestellten Sexualität in Theater und Gesellschaft dran. Find ich sehr gut.
Wenn scheinbar feministische Texte heute so beschaffen sind, dass sich irgendeine Frau darin gar nicht wiederfinden oder hilfreich vertreten finden kann und das ist trotzdem niemandem so richtig klar, haben wir auf jeden Fall eine Krise der feministischen Texte. Wenn "queere" Texte sich nicht als "queeristische" Texte begreifen können, haben wir eine Krise dieser Art von Texten. Und wenn Texte zu Homosexualität in Theater und Gesellschaft sich nicht unterscheiden von bisher sogenannten "queeren" Texten, dann missachten wir sie als relevante Beiträge zum gesellschaftlichen Zusammenleben.
Ich bin nicht pauschal pessimistisch, sondern kommunikativ eher pessimistisch aber, wie Sie bemerken aus nahezu Selbsterhaltungstrieb unverdrossen besserwisserisch bis mitunter verzweifelt...
So halte ich die Entstehung der AfD zu erheblichen Teilen hausgemacht, weil hier zuvor eine gesellschaftliche Kommunikation vollkommen gescheitert ist und das mit indifferenten Darstellungen wie Selbst-Darstellung in Genderfragen zu tun hat.
ICH kann das unterscheiden mit den überlieferten Real-Bedingungen für Frauen in der antike und mit dem proklamierten Ideal-Staat Platons. Andere können das nicht. Frau Petry zum Beispiel. Und auch hier glaube ich, dass ein Unterschied vorhanden ist zu Frau von Storch. Die das bestimmt auch unterscheiden kann, aber bisher nicht so unterscheiden wollte. Das muss man jemandem zugestehen können, der mit Schwulen, Lesben oder Transsexuellen in seinem Alltag noch nicht viel mehr als mit Bilderschau vom CSD zu hatte, dass den zunächst davon befremdet ist und daran interessiert ist, dass sich mal von näher anzuschauen, um eventuell sein Urteil zu revidieren oder weil er, vom Chrakter her, sich für Vorurteile die er lauthals verbreitet, eigentlich schämt...
Ganz bestimmt können Schwule und Lesben auch gemeinsam Kinder erziehen, aber man darf nicht so tun, als sei das für die Kinder weniger problematisch zu bestimmten Zeiten in ihrem Leben, als wenn Menschen allein oder als heterosexuelle Paare Kinder aufziehen.
Will sagen: Bevor man sich über die Einbeziehung von Unterschieden gemeinsam stark machen KANN, müssen diese Unterschiede erst einmal dezidiert gesamtgesellschaftlich wirksam herausgearbeitet werden.
Und daran mangelt es.
Zunächst erst einmal für die Erwachsenen.
Und zwar eklatant.
Und wenn das erledigt ist, DANN kann man auch über gesellschaftsrelevante Sexualerziehung im Kindes- und Frühjugendalter reden und die Erfahrungen in der heteronormativen Sexualerziehung nicht einfach abbügeln als vorgestrig...
Und nicht eher.
Es wäre deshalb zunächst vielleicht wichtig, dass sich neben den Medizinern und medizinischen Wissenschaftlern die erwachsenen Homosexuellen darüber verständigten, was denn nun genau Transsexualität und was Drug Queeness unterscheidet. Wenn die das selber schon nicht können, warum sollen das dann die AfD-Geister können, die mit Homosexualität samt ihren praktizierten Spielarten bedeutend weniger Erfahrung haben als Homosexuelle?
Und warum soll das Problem der AfD hausgemacht sein? Wegen Genderfragen? Wegen Ihrer Angst vor queerer Sexualerziehung? Geht's hier, auch bei der AfD, nicht eher um Geld- und Machtfragen? In Berlin will die AfD, dass die Eltern für die Kitas bezahlen, anders als die SPD, die die Kitagebühren bis 2018 abschaffen will. Ist die AfD also nur das "Negativ" zur SPD bzw. zu den Regierungsparteien? Dann wäre sie sicher keine Alternative, was hoffentlich sowieso schon vielen klar geworden sein dürfte.
Der Teil der AfD dem es um Geld- und Machtfragen geht, benutzt den Teil der AfD, den es um - im Moment noch immer -m.E. berechtigte Angst vor zu großer staatlicher Einmischung in den intimen und zu schützenden Bereich der Sexualerziehung im Kindes- und frühen Jugendalter geht. Und damit u.a. erfahrenen Eltern, insbesondere auch erfahrenen Müttern, die Erziehungs- und Bildungskompetenz in diesem Bereich absprechen. Und dieser erziehungs-bewegte, sich von Entmündigung in Fragen der Sexualerziehung bedroht fühlende Teil der AfD benutzt umgekehrt den national orientierten auf Geld und Macht ausgerichteten Teil der AfD.
Hausgemacht ist, dass keine genügende und vor allem keine genügend achtungsvolle Kommunikation in der Gesellschaft stattfindet über Fragen der Sexualerziehung- die wegen des Themas auch viel schwerer zu bewerkstelligen ist als bei anderen, weniger Intimität berührenden Fragen, b e v o r das zu staatlichen Festlegungen in Bildungs- und Erziehungsplänen in Schule und Kindergarten führt.
Der eine wie der andere Teil der AfD bekäme als Einzel-Partei weder genügend Aufmerksamkeit noch politischen Einfluss so wie die Politik in diesem Land momentan aussieht. Deshalb ist die AfD als AfD entstanden und deshalb wird sie zerbröseln, sobald man die Fragen der Sexualerziehung mit der entsprechenden sozialmedizinischen und wissenschaftlichen Kompetenz und dem achtungsvollen Ernst auch gegenüber u.a. Frau Petrys privater Bildungs- und Erziehungserfahrung und nicht nur mit durch Heteromehrheit beleidigter Genderfühligkeit behandelt.
Da haben Bürger ihre generelle Unzufriedenheit zu einer politischen Bewegung gemacht. Auch das ist nichts Neues und in einer Demokratir hinnehmbar. Nur Unzufriedenheit ist noch kein politisches Programm. So ein Unwohl-Sein mit allem ist eine Befindlichkeit , die nach Zustimmung giert, und auf Grund eines mangelnden Programmes einigt man sich ersteinmal auf die üblichen Feinde. Das hält zusammen. Wie lange? Das ist eine andere Frage. Aber solange sich CDU, CSU und SPD weiter zerfleischen, wird die AfD weiter steigen. Und entschließt sich die Koalition nun, angesichts des gemeinsamen Feindes, doch wieder näher zusammen zu rücken, steigt die AfD erst recht. Profilosigkeit, Charakterlosigkeit , das sind die wahren Probleme. Mangel an Respekt vor der Demokratie, Breitarschigkeit und Klammern an der Macht ihre Begleitumstände . Nach so einer Niederlage sein Amt als Kanzlerin nicht zur Verfügung zu stellen, diese Ehrlosigkeit jede Konsequenz zu scheuen und einfach so weiter machen, unter dem demokratischen Radar herzufliegen , da liegt der Hund begraben . Wie die Leute dabei auch noch ihren Sex zu Hause gestalten, nun, das interessiert doch in Wahrheit keine Sau. Selbst die AfD weiß doch, dass sie die Themen nur benutzt, fickt, das ist doch ein offenes Geheimnis . Überleben und weiter wachsen können Sie damit nur, weil ein erheblicher Teil der Bevölkerung von der Arroganz der Macht mit all ihren müden Lotuseffekten enorm angekotzt ist.
Sexual-Erziehung/Aufklärung ist schon etwas Intimes. Und zwar, weil es jedes Menschen Intimität berührt. Und deshalb ist es besonders sensibel zu behandeln, wenn es darum geht, staatlich gestützte Bildungs- und Erziehungspläne für die Sexualaufklärung und -erziehung festzulegen.
Das ist eindeutig verabsäumt worden und hat sehr große Verletzungen in ganzen gesellschaftlichen Schichten hinterlassen, die unter anderem die Konsequenz haben, dass die AfD mit ihrer nationalistisch aggressiven Ausrichtung als größte organisierte wirkliche Opposition den Zulauf erhält. Und Zustimmung. Natürlich gibt es auch hier Leute, die sich das Verletzten-Mäntelchen nur umhängen, um nicht als reine Nationalisten enttarnt zu werden. Diejenigen, die das erkennen und die AfD deshalb eigentlich NICHT wählen wollen, fühlen sich aber wegen der unberücksichtigten Widersprüche gegen die vorgesehenen und teilweise schon durchgesetzten Bildungs- und Erziehungspläne in Bezug auf die Sexualaufklärung/erziehung in Kindergarten und Schule woanders derzeit NICHT vertreten. Das hat alles mit den ehemaligen Päderastie-Vorwrüfen gegen die Alt-Grünen (Cohn-Bendit usw.) gar nichts zu tun. Sondern mit Ignoranz beispielsweise gegenüber der in der DDR praktizierten Bildungs- und Aufklärungserfahrung.
Selbstverständlich kann ein schwuler Erzieher oder ein queerer genau so liebevoll mit Kindern umgehen wie jeder andere auch, wenn er das kann. Einen schwulen Erzieher kann ich auch meinem dreijährigen Kind erklären, wenn es mich irgendwas dazu fragt.(Und zwar NUR dann. Das ist eines der allerwichtigsten Prinzipien bei der Kindererziehung und Sexualaufklärung: Das Kind allein bestimmt, ganz individuell verschieden kann das sein, WANN es etwas jeweils konkretes zu Körper, Geschlechtlichkeit und Umgang damit wissen WILL) Einen queeren nicht. Und deshalb würde ich es nicht in eine Kita bringen, in der es einen queeren Erzieher gäbe. Weil es das Kind zunächst andere kognitive und seelische Lernarbeit im Selbstwerdungsprozess zu bewältigen hat, als sich bereits in dem Alter so dezidiert mit Sexualität auseinandersetzen zu müssen. Es gibt gewiss sogar homosexuelle Elternpaare, die das ebenso sehen wie ich. Allerdings ist auch die Chance für queere Menschen, eine Erzieherausbildung zu absolvieren, sowie eine Stelle im Erziehungsbereich zu bekommen, extrem gering. In aller Regel brauchen sie selbst bis weit in ihre dreißiger Lebensjahre, um ihre eigene sexuelle Ausrichtung, deren Darstellung und die damit verbundenen sozialen Schwierigkeiten zu erkennen, genau zu benennen und damit irgendwie zunhächst ihren privaten Platz zu finden. Und vorher kann man sich auf eine Ausbildung im Kindererziehungs- und Bildungsbereich auch gar nicht konzentrieren. Deshalb muss ich eher über die allgemeingültig gemachte Erziehung und Bildung der Kinder in dem Bereich reden als über die Chance für einen queeren Menschen, der Erzieher werden möchte, dies auch ohne bürokratische Schwellen werden zu können. Alles andere ist Idealismus in Reinkultur und keine demokratische Politik.