Der Theatermacher - Intendant Michael Lerchenberg verabschiedet sich mit Thomas Bernhard von der Luisenburg
Ohne Hitler geht es hier nicht
von Andreas Thamm
Wunsiedel, 15. Juli 2017. Man wird im Nachhinein immer sagen können: So ist halt das Stück, so ist der Text, von Bernhard, nicht von Lerchenberg. Und dennoch ist es natürlich eine sehr bewusste Wahl, dass Michael Lerchenberg zum Abschied als Intendant auf der Wunsiedler Luisenbug Thomas Bernhards "Theatermacher" ansetzt und selber spielt. Er gehe nicht im Guten, hieß es im Vorfeld. Aber auch unabhängig davon: Es passt halt so schön an diesen Ort.
Denn selbst wenn das Grab des Hitler-Stellvertreters seit mittlerweile sechs Jahren eingeebnet ist: Wunsiedel kennt man, wenn man es kennt, wegen der Luisenburg-Festspiele oder wegen Rudolf Heß. Und nun trägt David Zieglmaier als Ferruccio, Sohn des Theatermachers, eine Kostümkiste über die Bühne, aus der eine Hakenkreuzbinde spitzt. Dieses Symbol leuchtet in die Ränge. Die deutlich vernehmbare Reaktion des Publikums: Oh.
Spitze Sätze zur vermoderten Provinz
Dabei hatte der Theatermacher Bruscon kurz zuvor noch überlegt, den Hitler vielleicht rauszustreichen aus seinem Stück "Rad der Geschichte". Aber: "Nein! Ohne Hitler geht es hier nicht." Ohne Hitler geht es in Wunsiedel nicht, geht es an diesem Abend nicht, geht es bei Bernhard nicht. Es ist eine besondere Situation, weil man auf diese spitzen Sätze ganz besonders hört. Ob da nun Nazis herangezogen werden oder die Provinz als "vermodert und verfault" beschimpft wird. Und wie lacht dann das Publikum? Hohoho oder hahaha?
Vor dieser Folie der Umstände gerät das eigentliche Stück fast aus dem Fokus. Dabei halten sich Lerchenberg und Regisseur Carl Philip von Maldeghem eigentlich zurück: Sie haben aus der "Eiterbeule Europas" nicht Oberfranken gemacht, das bleibt Österreich. Und der Theatermacher Bruscon muss sein Welttalent auch nicht an Wunsiedel verschwenden, sondern nach wie vor an Utzbach. Das klingt auch besser, wenn Lerchenberg es an die Felsen dieser zauberhaften Open-Air-Bühne spuckt: "Utz! Bach!" Bäh.
Die mit den zugenähten Taschen
Es passt ja eigentlich nicht hier her, das Theaterstück im Theaterstück, der Fast-Monolog eines typischen Bernhard-Narzissten und Welthassers. Dazu braucht es keine Felsbrocken und Granittreppen und wer-weiß-wie-alte Birken auf der Bühne. Aber all das, besonders der viele Raum, schadet auch nicht: Familie Bruscon kommt im Suzuki-Kleinwagen auf die regennasse Bühne geschlittert. Und auf der Bühne steht eine zweite Bühne, an deren Traverse Ferruccio, der Tölpel, bald hilflos baumelt. Als das Stück am Ende scheitert, weil der Baum brennt, fährt draußen tatsächlich die Feuerwehr vor.
Die Sirenen heulen und das Blaulicht dringt durchs Gemäuer, dessen Restaurierung Lerchenberg maßgeblich mit vorangetrieben hat, ein Jahrhundertumbau, heißt es. 14 Jahre lang ist er hier Intendant gewesen. Nun geht er ein Jahr vor Vertragsablauf, weil er sich nicht länger mit den Stadträten mit "zugenähten Taschen" herumärgern mag. Von Schmutzkampagnen gegen ihn und seine Frau war die Rede. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zu allem Überfluss wegen Sozialversicherungsbetrugs. Es ist ein großer, hässlicher Mist um diese schönen Festspiele, denen der berühmte Intendant zu nationaler Bedeutung verhalf.
Erhabenheit und Balkan-Polka-Gedudel
Den "Theatermacher" hat er sich folgerichtig gewünscht. Fast zwei Stunden, die quasi ihm gehören und in denen er nicht alles meinen muss, was andere schon gesagt haben, aber manches doch genau so meinen darf. Und vielleicht befeuert das einen Schauspieler zusätzlich: Lerchenberg, im langen Mantel und sandfarbenen Anzug, bebt und zetert, fuchtelt mit dem Stock, schmeißt mit Gläsern und jagt Tochter Sarah (Carolin Waltsgott), dass man um sie fürchten muss. Er ist umgeben von Antitalenten und Nazis. Lerchenberg badet in diesem Text. Dann taucht die Technik die Bühne in blaues Licht, Lerchenberg steht plötzlich im Publikum und spricht ins Mikrofon: "Das Theater ist keine Gefälligkeitsanstalt!" Hall, erhabener Moment.
Diese Erhabenheit aber, der heilige, ernste Zorn, wird leider nicht aufrechterhalten. Das immer gleiche, komödiantische Balkan-Polka-Gedudel in den Umbaupausen kann auch Aggressionen schüren. Und auch die stellenweise zu tumbe Darstellung der Oger-haften Wirtsleute aus Utzbach banalisiert unnötigerweise. So kippt die Aufführung zwischen relevanter Auseinandersetzung und Volkstum hin und her. Für viele bleibt sie daher sicher ein kurzweiliger, aber nicht nachhaltiger Spaß. Wie Lerchenberg den Theatermacher spielt, ist dennoch grandios. Bleibt zu hoffen, dass die Luisenburg ohne ihn nicht zur Gefälligkeitsanstalt wird.
Der Theatermacher
von Thomas Bernhard
Regie: Carl Philip von Maldeghem
Bühne und Kostüme: Thomas Pekny, Licht: Rolf Essers, Ton: Otto Geymeier, Kostüm: Eva Praxmarer
Mit: Adela Florow, Michael Lerchenberg, Romina Nowak, Alfred Schedl, Josepha Sem, Carolin Waltsgott, David Zieglmaier
Dauer: 1 Stunde, 40 Minuten, keine Pause
www.luisenburg-aktuell.de
"Natürlich war Michael Lerchenberg so schlau, das Stück nicht mit Anspielungen auf die Stadt zusätzlich zu verschärfen und plump nachzutarocken. Stattdessen lässt er den Text für sich selbst sprechen", schreibt Florian Welle in der Süddeutschen Zeitung (1. August 2017). "Die Inszenierung in der Regie von Carl Philip von Maldeghem hält sich bis auf Kürzungen an die Vorlage und erfindet das Rad der 'Theatermacher'-Interpretationen sicher nicht neu." Aber Michael Lerchenberg beweise mit seinem "famos gespielten" Abschiedssolo die Fähigkeit zur Selbstironie, so Welle: "Auf der Luisenburg mit ihrer magischen Naturkulisse war er in Personalunion Intendant, Schauspieler und Regisseur: ein Theaterpatriarch wie der 'Theatermacher', mit einem ebenso großen Ego. Wenn am 20. August mit der 'Zauberflöte' das Licht für diese Saison erlischt, geht eine verdienstvolle Ära zu Ende."
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