Volksbühne, wer sonst

31. August 2017. Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin geht aus der Kritiker*innenumfrage des Magazins "Theater heute" als Theater des Jahres 2017 hervor. Wie im heute erschienenen Jahrbuch von "Theater heute" nachzulesen, konnte die Volksbühne in der letzten Spielzeit ihres langjährigen Intendanten Frank Castorf 18 von 46 möglichen Stimmen auf sich vereinen. Es folgen das Theater Basel und das Theater Dortmund mit je 4 Nennungen. Es ist der dritte Sieg der Volksbühne in dieser Kategorie nach 1993 und 2016 (wobei man sich 2016 den ersten Platz mit dem Maxim Gorki Theater Berlin teilte).

Volksbuehne Postkarte 1920er xSieger des Jahres: Frank Castorfs "alte
Volksbühne" Berlin
Inszenierung des Jahres wurde mit 9 Stimmen "Five Easy Pieces" von Milo Rau (Campo Gent u.a.) vor Frank Castorfs Aneignung des Goethe'schen "Faust" an der Berliner Volksbühne (6 Stimmen) und Ulrich Rasches Adaption der Schiller'schen "Räuber" am Residenztheater München (5 Stimmen). Rasche schuf mit den kolossalen Laufbändern seiner Münchner "Räuber"-Inszenierung auch das Bühnenbild des Jahres (9 Stimmen). In der Kategorie "Bestes Stück" siegte Simon Stone mit seiner Modernisierung und Überschreibung der Tschechow'schen "Drei Schwestern" am Theater Basel (8 Stimmen). Seine Neuerarbeitung, die nicht zum Wettstreit um den Mülheimer Dramatikerpreis eingeladen war, liegt noch vor der diesjährigen Mülheimer Siegerarbeit "Mädchen in Not" von Anne Lepper (4 Stimmen) und dem in Mülheim vertretetenen Dramendebüt des Romanciers Clemens Setz "Vereinte Nationen" (4 Stimmen). Die Rubrik "Beste Dramaturgie" führt Stefan Bläske (Five Easy Pieces, Regie: Milo Rau) mit 5 Stimmen vor Sebastian Kaiser (Faust, Regie: Frank Castorf) mit 4 Stimmen an.

Schauspielerin des Jahres ist Valery Tscheplanowa mit ihrem Auftritt als Helena/Margarete in Frank Castorfs "Faust“ (Volksbühne, Berlin). Sie erhielt 18 Stimmen. Den Schauspieler des Jahres Joachim Meyerhoff wählten 11 Kritiker*innen für sein Solo "Die Welt im Rücken" nach Thomas Melle (Regie: Jan Bosse, Akademietheater Wien). Die beste Nachwuchsschauspielerin Sina Martens vom Schauspiel Frankfurt (demnächst Berliner Ensemble) erhielt 5 Voten (u.a. für ihren Auftritt in Alexander Eisenachs Finanz-Western "Der kalte Hauch des Geldes"), der beste Jungschauspieler Michael Wächter vom Theater Basel, der für seinen Auftritt in Simon Stones "Drei Schwestern" auch den Alfred Kerr-Darstellerpreis beim Berliner Theatertreffen 2017 abräumte, kam auf 4 Stimmen und eine Nennung außerhalb der Junioren-Kategorie.

In zwei Kategorien ist die Produktion "Die Vernichtung" vom Konzert Theater Bern siegreich: Regisseur Ersan Mondtag wurde von 11 Kritiker*innen für sein Kostümbild gekürt; die Verfasserin des Stücktextes Olga Bach gewann in der Kategorie "Beste Nachwuchsautorin" (6 Stimmen). Beste Nachwuchsregisseurin ist Nora Abdel-Maksoud mit "The Making-of" vom Maxim Gorki Theater Berlin (4 Nennungen).

Die 46 Kritiker*innen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum waren wie stets auch dazu aufgerufen, das "Ärgernis des Jahres" zu benennen. Den höchsten Wallungswert erzielt auch hier die Berliner Volksbühne, wobei die Meinungen unter den Wahlberechtigten auseinandergehen, ob man sich vor allem über die verpfuschte Berliner Kulturpolitik beim Intendantenwechsel, über Sturheit und Trotz der Castorf-Getreuen oder über die Programmpräsentation des künftigen Volksbühnen-Leitungsteams um Chris Dercon oder Marietta Piekenbrock ärgern sollte.

(Jahrbuch "Theater heute" / chr)

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