Mehr Detox, bitte

von Esther Slevogt

6. Mai 2021. In die Stille, die die unbespielten Theaterhäuser gegenwärtig ausstrahlen, dringt gerade ziemlich laut das Knirschen, Ächzen und Toben, das die wichtigen gegenwärtigen Strukturdebatten in dieser Institution verursachen. Nicht nur, dass diese Debatte gerade exemplarisch für die (ebenso schwer wie schmerzlich in Gang kommenden) Veränderungsprozesse in der Gesellschaft stehen. Spürbar ist auch: Das Theater kommt endlich im 21. Jahrhundert an.

Aber, oh Gott!

Und doch durchfahren mich manchmal Angst und Schrecken, wenn die Stimmen zu schrill und ohrenbetäubend werden, die sich da für das Richtige erheben. Ach, beruhige ich mich dann erst einmal selber, zu lange konnten viele sich eben nicht artikulieren, wuchs der Zorn mit der Ohnmacht in den versteinerten Strukturen. Jetzt bricht er dafür umso lauter und ungefiltert heraus und es wird sich schon einpendeln. 

kolumne 2p slevogtTrotzdem verstören mich diverse Tonlagen und Haltungen in diesen Debatten um Macht und ihren Missbrauch immer wieder. Oft ertappe ich mich dann bei dem Gedanken: Oh Gott, in diese Hände möchtest Du nicht unbedingt fallen! Bloß nie in die Lage kommen, Schutzbefohlene so rabiat Debattierender zu sein.

Seien es die Journalist*innen, die ihre Recherchetexte in den Sozialen Netzwerken mit der Haltung von Großwildjäger*innen annoncieren, die gerade einen Löwen erlegt haben. Seien es Interviews oder andere Wortmeldungen, anonyme Beschuldigungen und Kommentare, aus denen für mein Ohr bloß Aggression dringt und wenig Interesse erkennbar wird, die aktuellen Debatten irgendwie konstruktiv zu machen. Wenn einfach bloß Köpfe rollen sollen, ohne dass geschaut wird, was dann noch den Bach heruntergeht. Und wie es überhaupt weitergehen kann.

Der mediale Druck ist wichtig, denn er beschleunigt die Einsicht in die Notwendigkeit, dass Handlungsbedarf besteht. Machtmissbrauch, Rassismus, Ausbeutung und sexuelle Übergriffigkeit müssen benannt werden. Sie haben keinen Platz in einer Institution, deren Selbstbild immer noch von Schillers berühmtem Begriff der moralischen Anstalt geprägt ist. Niemand darf angeschrien oder gemobbt werden.

Klima der Gnade

Aber müsste sich dieses wichtige Anliegen nicht auch im Ton der öffentlichen Debatte darüber spiegeln? Müssten nicht die, die sich zurecht dafür einsetzen, dass der oft autoritäre und hierarchische Charakter einer neuen Betriebskultur weicht, darin schon in der öffentlichen Debatte beispielhaft sein? Wie soll ich ihnen sonst glauben? Woher soll ich das Vertrauen nehmen, dass sich wirklich etwas ändern kann? Dass hier nicht bloß die nächste Generation schreiender Rechthaber*innen ans Ruder will. Dass auf ein Klima der Angst dann einfach nur ein neues folgt. Neuer Druck, neue Übergriffigkeit, andere Ausbeutungsverhältnisse – und das Klima weiterhin toxisch bleibt. Für ein nachhaltiges Detox braucht es auch eine andere Debatten- und Auseinandersetzungskultur. Ein Klima der Gnade vielleicht sogar.

 

Esther Slevogt ist Chefredakteurin und Mitgründerin von nachtkritik.de. Außerdem ist sie Miterfinderin der Konferenz Theater & Netz. In ihrer Kolumne Aus dem bürgerlichen Heldenleben untersucht sie: Was ist eigentlich mit der bürgerlichen Öffentlichkeit und ihren Repräsentationspraktiken passiert?

 

Zuletzt schrieb Esther Slevogt darüber, wie sich die Theater mehr und mehr ihre eigene Öffentlichkeit bauen.

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Kommentare  
Kolumne Slevogt: Versuch einer Antwort
Liebe Frau Slevogt,
Ihr Bedürfnis nach einem „Klima der Gnade“ ist ehrenhaft. Ich aber denke, dass die, in Ihren Ohren, schrillen Töne demselben Bedürfnis entspringen. Haben Sie schon mal Betroffenen gegenübergesessen und ihre Geschichten gehört? Menschen zugehört, die weinen und zittern und paranoid um sich blicken? Haben Sie gehört von Angst, Suizidgedanken, Hoffnungslosigkeit? Von Schlafmangel und Albträumen, Abhängigkeit von Medikamenten, Alkohol, Drogen, von Depressionen, Burnout, Klinikaufenthalten, vom traumatischen Verlust von Freundschaften, Beziehungen, ungewollten Schwangerschaftsabbrüchen, sexuellen Übergriffen? Menschen zugehört, denen unsägliches Leid widerfahren ist. In diesen Sätzen schwingt keinerlei Aggression mit, sie sind voller Mitgefühl für die Opfer. Was mich wirklich frustriert, ist, dass noch immer 98% der Betroffenen psychisch nicht in der Lage sind, öffentlich über ihre Erlebnisse zu sprechen und Täter:innen zu nennen. Sie haben Angst um ihre berufliche Laufbahn und um all die fragilen, von Konkurrenz geprägten sozialen Bindungen an ihren Arbeitsplätzen. Sehen Sie auf die Volksbühne: Wer sind die Held:innen, die sich gewehrt haben? Was ist ihnen passiert? Wie geht es ihnen gerade? Wie steht es um das Mediationsverfahren? Traumatherapie? Strukturdebatte? Bekommen Sie wirklich Hilfe? Haben Sie noch einen Job? Wenn Sie über das Gorki-Theater schreiben, sind Sie bereit über die Allianz Kulturstiftung zu sprechen, über andere Stiftungen, über Machtstrukturen, bei denen es nicht nur um den falschen Tonfall in einem Gespräch geht, sondern um sehr, sehr viel Geld? Sprechen wir über Verbindungen von Intendant:innen zu Geldgeber:innen, zur Politik, zu Jurymitgliedern. Sprechen wir über Intendant:innen, die möglicherweise sagen: Ich werde dich vernichten. Du wirst nie wieder einen Job bekommen. Ich mache dich fertig.
Würden Sie, rein hypothetisch, mit solchen Personen ein langfristiges Mediationsverfahren durchleben wollen oder würden Sie dem Verfahren fernbleiben, weil Sie es emotional nicht durchstünden? Oder würden Sie einem Mediationsverfahren zwar zustimmen, weil Sie Angst haben, obwohl Sie es nicht durchstehen werden? Sie sehen die schrillen Töne in der Debatte? Ich nicht. Ich sehe Jounalist:innen, die versuchen, in ihren Artikeln ansatzweise das Leid zu veranschaulichen, das ihren Gesprächspartner:innen widerfahren ist, ohne den Opferschutz zu missachten, ohne die konkrete Begebenheit zu erwähnen oder gar beschreiben zu dürfen, damit die Intendant:in jeweils nicht erahnen kann, wen sie denn vernichten soll mit ein paar wenigen Telefonaten mit Agent:innen, Stiftungsmitarbeiter:innen, mit Jurymitgliedern, mächtigen Kolleg:innen etc. Entweder Sie wissen nicht, was an vielen Theatern vor sich geht, oder Sie wollen es nicht wissen oder glauben. Prof. Thomas Schmidt berichtete in einem Interview in der Welt von zwei Intendanten, die extra "Zimmer anmieteten". Haben Sie eine Vorstellung, was das bedeutet? Wollen wir da Gnade walten lassen? Ist die aktuelle Schweigespirale nicht schon eigentlich ein Akt der Gnade den Täter:innen gegenüber?
Eine Debatte wird vielleicht erst möglich sein, wenn die Opfer bereit sind Gesicht zu zeigen. Wenn sie sicher sein können, dass sie aufgefangen werden von einer Theatergemeinschaft, von uns allen, wenn sie nicht Angst haben müssen vor einer Opfer-Täter:innen-Umkehr.
Es gibt an Theatern nicht ausschließlich aber eben doch sehr viele Menschen in Machtpositionen, die ihre Posten räumen müssten, um eine angstfreie Debatte zu ermöglichen. Da rollen keine Köpfe, wie Sie es martialisch formulieren, sondern Besserverdienende gingen in den Vorruhestand oder machten halt was anderes und werden wohl für die meisten ihrer „Vergehen“ nie bestraft. Sie gingen als die Gewinner:innen. Unsere Angst ist groß, Traumata unbehandelt. Klagen Sie nicht die wenigen Mutigen an, die ihre Stimmen öffentlich erheben.
Helfen Sie!
Kolumne Slevogt: But first...
mag sein, liebe frau slevogt. aber die erfahrung zeigt ja, daß im freundlichen und respektoller tonlage vorgebrachte kritik in karlsruhe, an der parkaue, in düsseldorf und anderswo in den internen beschwerdemanagement-Kanälen versickern. wir haben doch jetzt den kodex! beruhigt euch mal wieder. auch mal schrill und laut wurde es ja, weil die beschwerden behandelt werden wie an der hotelrezeption. ja, ja-wissen wir, wir kümmern uns, ganz wichtig, haben wir ja eigentlich immer schon gemacht.die lehre aus vielen jahren ohne echte bewegung im system: du musst schreien (figurativ) um gehört zu werden. oder anders: für den schrillen ton sind nicht in erster linie die verantwortlich, die schreien, sondern diejenigen, die nicht von den alten machtstrukturen lassen wollen. kleines beispiel: die Mindestgage für anfänger war fast 20 jahre lang 1550.-€, weil das angeblich nicht zu erhöhen war - das system würde dann zusammenbrechen. nach "schrillen Tönen" des ensemble-netzwerks gings dann doch ganz schnell vorwärts. würde mich auch wohler fühlen, wenn der ton heruntergedimmt wird - es spielt aber den besitzstandswahrenden in die Hände.
Kolumne Slevogt: mit Camus gesagt
»Ich empöre mich, also bin ich«, schrieb Camus. Es ist also ein Akt der Selbstvergewisserung. Das Problem ist womöglich weniger die Lautstärke dieser Empörung, sondern mehr die fehlende Differenziertheit. Wo absolute Gewissheiten und verhärtete Ideologien aufeinander prallen, wurde es oftmals unschön. Dieser Text zeigt aber, dass auch ein Sowohl-als-Auch möglich ist.
Kolumne Slevogt: bestes Theater
Wer bestes Theater sehen möchte und zwei Stunden Zeit hat sollte dies versuchen:
https://www.youtube.com/watch?v=wpGd5DZ_K5w&t=3989s
Diskussionen dieses Niveaus gibt es leider in Deutschland nicht, nirgends.Und Theater leider auch nicht. Alle Rollen sind verteilt: der weiseRabbi mit der Bitte um Gnade, der Wissenschaftler, dem nicht geglaubt wird, die schwer betroffene Aktivistin und der Theoretiker des strukturellen Rassismus, der sich beglaubigt durch "persönlich Erlebtes".Das Publikum spielt mit. Achten Sie auf die überraschende Wendung gegen Ende, als ein junger Mann dem Theoretiker, der ihm ein Leben im Wolkenkuckucksheim unterstellt, anbietet: Ändern Sie einfach mal die Blickrichtung, und sie sehen hier sehr viele farbige Menschen Großartige Inszenierung.
Kolumne Slevogt: Schreihälse
hier werden Kommentare nicht veröffentlicht, wenn sie nicht der nachtkritik-Meinung entsprechen.
Und dennoch: es gibt sie, die Menschen, die schon andere Zeiten gesehen haben, Kollektive, die funktionieren, und das nicht erst jetzt, sondern seit 50 Jahren, toll geleitete Theater von Menschen, die Qualität erkennen und Qualität fördern. Allzuoft wird mangelnde Qualität mit Machtgebaren kompensiert. Und das passiert genau hier. Lisa Jopt im O-Ton im Tagesspiegel: "Promi-Furz" damit bezeichnete sie allesdichtmachen . Qualität nicht erkennen zu können ist ein Merkmal der Schreihälse. Solidarität nur mit manchen, nicht mit allen, genereller Hass auf Bekanntheit - das sind die Merkmale der Schreihälse.

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(Werte*r Nell, Kommentare werden nicht veröffentlicht, wenn sie den Regeln nicht entsprechen, also etwa unüberprüfbare Behauptungen oder Beleidigungen enthalten. Andere Meinungen sind hier immer willkommen. Grüsse aus der Redaktion, sle)
Kolumne Slevogt: Theaterrealität
@1 Ihr Beitrag (...) hat mit keiner Theaterrealität zu tun, die ich kenne. Warum schreiben Sie so etwas?

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(Teile dieses Kommentars wurden gekürzt, weil sie nicht dem Kommentarkodex von nachtkritik.de entsprechen. Nachzulesen ist der Kommentarkodex hier: https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102 d. Red)
Kolumne Slevogt: nicht die Wirklichkeit
Ich finde nicht richtig, daß Kommentar Nummer 1 veröffentlicht wurde. Sie tun hier so, als wäre der Wahn, der sich in ihren Kommentarspalten entfaltet, die Wirklichkeit in den Theatern. Es gibt bestimmt ein paar schwarze Schafe. Aber das Gros der Theater ist nicht so. Ich habe an vielen Häusern gearbeitet. Theater sind noch immer Orte der Freiheit und des offenen Denkens. Dieser Aspekt kommt mir in der ganzen Debatte zu kurz.
Kolumne Slevogt: Theater sind...
Theater sind Orte der kontrollierten Opposition.
Kolumne Slevogt: Schreien ist Menschenrecht
Liebe Frau Slevogt, es ist wirklich eine Illusion, wenn sie davon ausgehen, dass die Modifikation hin zu einem "Klima der Gnade" irgendetwas ändern könnte in der Umwandlung der Strukturen an diesen Theatern. Solang über diese Verfügbarkeit über "die Körper" durch die Intendanz gewaährleistet ist (und es spielt keine Rolle, ob diese Intendanz nun aus einer, zwei, drei oder neun Personen besteht) sind die Theater in den Ausbeutungsverhältnissen gefangen. Da nützen auch freundliche Töne nichts. Was #1 beschreibt, sind die Realitäten. Eine Macht-Stufe bestimmt, wann sich Körper#1, Körper#2, Körper#3 etc. sich zwecks Anschauung & Prüfung auf einer Bühne zu versammeln haben. Solange diese Körper nicht selber mitbestimmen können, wann und wie sie auf dieser Bühne zu erscheinen haben - und auf welche Weise dabei geprüft werden sollen - sind diese Abhängigkeitverhältnisse toxisch. Da spielt der Umgangston keine Rolle, ob geschrien wird oder warmherzig geflüstert - ist letzlich Nebensache. Es ist auch Nebensache, ob diese Intendanz nun diesen oder jene biographischen Hintergrund hat. Sogar das Geschlecht dieser Intendanz ist (in Bezug auf die Realität dieser Übergriffe) nicht relevant. Der Übergriff ist die Alltags-Realität, die von #1 sehr anschaulich beschrieben worden ist. Die Wahrnehmung von #1 deckt sich 100% mit meiner Wahrnehmung. Die städtischen Theater sind Zucht- und Domestizierungs-Institute und beschädigen die Seelen und Körper der darin verwickelten Menschen (die Opfer und die Täter:innen, auch die Täter:innen werden übrigens beschädigt in diesem System). Das wird sich erst ändern, wenn diese Selbstverwaltung der Körper eingeführt wird. Wenn diese Selbstverwaltung der Körper eingeführt worden ist, darf auch wieder geschrieen werden, denn Schreien, Heulen, Weinen und Kreischen am Theater ist was sehr sehr schönes und wichtiges. Aber nur dann, wenn dieses Mittel allen zur Verfügung steht.
Kolumne Slevogt: Warum?
Werter Herr Schwarz, können Sie mir bitte erklären, warum Sie im Theater arbeiten, wenn dort alles so schrecklich ist. Sind sie Masochist? Warum suchen Sie sich keinen freundlicheren Arbeitsplatz, in einer Gärtnerei oder einem Blumenladen etwa. Ich meine, das müssen Sie sich doch nicht antun. Werden Sie doch einfach ein selbstverwalteter Körper. Ich kann sie da nur ermutigen.
Kolumne Slevogt: Erweitert, und Gegenfrage
Lieber Inspizient, ich arbeite seit Jahren nicht mehr an diesen Staatstheatern, sondern arbeite auf politischer Ebene an deren Reformierung. Nicht diese Theater alleine definieren in diesen Tagen, was als "Theater" zu fassen ist. Zum Glück nicht. Wir setzen in unserer künstlerischen Arbeit auf einen erweiterten Theaterbegriff, der weit weit weit über die engen Framings der Stadttheater hinausweist. Was mich allerdings interessiert, auch aus Perspektive des Steuerzahlers, aber auch als Freund einiger Festangestellter - sind kulturpolitische Eingriffe, so dass sich diese Theater ändern müssen. Wie ist das mit ihnen? Sie arbeiten ja scheinbar gerne da. Verwalten sie Körper oder werden Sie verwaltet? Wenn ich auswählen würde (und das mit meinem Gewissen verantworten könnte) wäre ich natürlich gerne auf der Seite jener, die die Körper verwalten dürfen. Dort muss es mehr Spass machen. Nehmen sie das auch so wahr?
Kolumne Slevogt: Insider-Wissen?
#2 Versickern sie oder brauchen strukturelle Veränderungen vielleicht auch einfach ihre Zeit? Die man den Institutionen auch einräumen sollte, wenn man die Veränderung fordert?
Ist nicht so, dass die Vorwürfe z.B. in Düsseldorf und die eingeleiteten Reformprozesse schon vor zwei Jahren ihren Anfang fanden. Oder besitzen Sie Insider-Wissen zu allen internen Bestrebungen, zu allen neuen Dienstvereinbarungen, zu den extern bestellten Firmen und Kollektiven, zu den internen Auseinandersetzungen an all diesen Häusern..?
Ich wäre verwundert...

Stimme Frau Slevogt im Übrigen voll zu.
Kolumne Slevogt: Umgangsformen
"Schreien ist Menschenrecht"? Wut auch, Aggression auch? Vielleicht war gemeint ... "menschlich"? Das schon, so wie auch die kritisierten Missbrauchsfälle "menschlich" sind. Notwehr gegen Aggression und Geschrei, so berechtigt sie sein mag, (ver)führt uns zu Reaktionen, die nicht immer Abhilfe, sondern oft neue Verletzungen schaffen.
Frau Slevogt hat das m.E. bedacht. Sie hat nichts beschönigt, aber eine kluge und wirklich menschliche Bitte geäußert. Das hebt ihren Text aus der mitunter gnadenlosen Debattenkultur - wie sie auch in Kommentaren hier aufblitzt - angenehm heraus. Danke!
Kolumne Slevogt: Schutzraum
Mit Schreien ist selbstredend hier nicht das verletzende und herabsetzende "Machtschreien" zur Stärkung und Festigung einer Hierarchie gemeint, sondern das "Schreien" als Ausdrucksmöglichkeit, künstlerisch - oder aus Ausdruck von Verzweiflung (das nicht Teil eines Machtgebahrens). Der Schutzraum, in dem dies in der künstlerischen Arbeit für alle möglich wird, herzustellen, bleibt wichtiges Anliegen jeglicher Kulturpolitik und kann nur in Aushandlung neuer Regeln geschehen. Diese Neusetzungen brauchen die Spieler*innen als Regelbestimmer:innen, und nicht (nur) Dramaturg:innen, Kulturmanager:innen (oder Inspizient:innen). Letztere dürfen höchstens auch mitmachen, aber nur, wenn sie nicht an die Macht drängeln.
Kolumne Slevogt: Vorschlag
Das ist großartig, wie Samuel Schwarz ganz genau weiß, was von Esther Slevogts Selbst in ihrer eigenen Rede ausschließlich gemeint ist! Am besten Esther Slevogt lässt in Zukunft Samuel schwarz ihre Kolumnen schreiben und zeichnet sie dann einfach nur noch mit ihrem Namen.
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