Medienschau: Der Spiegel – Matthias Pees über seine Pläne fürs Theatertreffen

"Nicht mehr zeitgemäß"

"Nicht mehr zeitgemäß"

25. Juli 2022. Im Spiegel (online 15.7.22, €) spricht Wolfgang Höbel mit Matthias Pees, der im September 2022 die Intendanz der Berliner Festspiele antritt, über seine Pläne für das Berliner Theatertreffen.

Anlass des Interviews ist Pees' Berufung eines internationalen Vierer-Teams von aus Polen, der Ukraine und Deutschland gebürtigen Kuratorinnen zur neuen Leitung des Theatertreffens. Dessen Programmauswahl wird seit der Gründung des Festivals 1964 von einer unabhängigen Kritiker:innen-Jury getroffen, welche dafür ganzjährig Aufführungen im deutschsprachigen Theaterraum sichtet, aktuell zwischen 500 und 600. Die Personalentscheidung hatte entsprechende Medienresonanz erzeugt und wurde auch von nachtkritik.de kommentiert

Auf die Frage, ob er das Festival in seiner jetzigen Form "abschaffen" wolle, antwortet Matthias Pees: "Mir geht es darum, das Theatertreffen als in meiner Wahrnehmung wichtigstes Theaterfestival in Deutschland zu erhalten, zu erweitern und zu verbessern."

Im Zentrum seiner Veränderungspläne steht dabei eine weitere Internationalisierung des Festivals über Österreich und die Schweiz hinaus, speziell eine Ausdehnung auf den mittelosteuropäischen Raum: "Die bisherige Beschränkung des Theatertreffens auf den deutschsprachigen Raum ist für mich nicht mehr zeitgemäß", sagt Pees. "Ich fände es jedenfalls konsequent in der Systematik des Theatertreffens, wenn auch Stücke aus Vilnius oder Warschau, Lwiw oder Poznan von einer Jury ausgewählt würden."

Anders als in der Oper und im Tanz habe sich im Schauspiel "die deutsche Sprache als große Barriere" für die Diversifizierung herausgestellt, da "viele Theaterarbeiten und der deutsche Stückekanon all denjenigen, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, nicht zugänglich" seien.

Auch die Kritiker:innenjury wolle er, so Pees auf Nachfrage des Spiegel-Kritikers weiter, "nicht abschaffen, sondern nach Möglichkeit in diese Erweiterung und auch in den Austausch mit den anderen Programmbestandteilen des Theatertreffens stärker einbeziehen". Die Aussage bezieht sich auf bisherige Nebenschienen der Zehner-Auswahl wie den Stückemarkt, das Internationale Forum oder das begleitende Diskursprogramm.

Konkrete Details zum Inhalt sowie der geplanten Vernetzung der betreffenden Segmente untereinander und mit dem Hauptprogramm nennt der künftige Festspiele-Intendant nicht, betont aber "eine Unwucht zwischen diesen Formaten und der Zehner-Auswahl". Bisher seien zwar bereits viele Ressourcen in das zusätzliche Programm investiert worden, "aber in Präsentation und Wirkung erschien es mir meist zu stiefmütterlich, es lief nur nebenher und war zu wenig verzahnt."

Die Frage, ob es stimme, dass die Theatertreffen-Juror:innen eingedenk des internationalen neuen Leitungsteams aufgefordert worden seien, künftig auf Englisch miteinander zu konferieren, verneint Matthias Pees, stellt jedoch eine mögliche weitere Internationalisierung auch der Jury in Aussicht: "Aber vielleicht werden in Zukunft auch nicht mehr alle Mitglieder der Jury selbst Deutsch sprechen. Es gibt schließlich nicht nur deutschsprachige Kritiker:innen, die sich für unser Theater interessieren."

(Der Spiegel / cwa)

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