Scheiß egoistisches Miestvieh!

19. Oktober 2022. Die Autorinnen Caren Jeß und Lydia Haider haben beide eine Schwäche für schimpfende Figuren, verfolgen jedoch mit ihren Poetiken ganz unterschiedliche Ziele. Im Gespräch diskutieren sie, welcher Zugang zur Sprache für eine zeitgenössische Dramatik fruchtbar gemacht werden kann.

Moderation: Janis El-Bira

19. Oktober 2022. In einem Stück von Caren Jeß ist von einem "Dreckspfau" die Rede, von einem "Wichser" und "Spast". Lydia Haider ätzt über "Fetzengestelle", "Drecksfudel“ und "fiese Fischgeburten". Beim Schimpfen treffen sich zwei Dramatikerinnen mit sehr unterschiedlichen Poetiken. Jeß erfindet ihr Schreiben mit jedem Stück neu. Ihre Weltentwürfe mögen an die Wirklichkeit erinnern, an ein philosophisches Konzept oder gesellschaftliche Verhältnisse, reklamieren für sich jedoch stets eine ästhetische Eigenständigkeit. Haiders Texte dagegen drängen entschieden ins Außen, wollen auch jenseits der Bühne Unruhe stiften. Sie strebt mit den Mitteln der Provokation und Übertreibung nach politischer Wirksamkeit.

 
Caren Erdmuth Jeß, geboren 1985 in Eckernförde, studierte Deutsche Philologie und Neuere deutsche Literatur. 2017 gewann sie den Else-Lasker-Schüler-Stückepreis und den Preis der taz-Publikumsjury des 26. "open mike". Mit der Grazer Uraufführungsinszenierung ihres Stückes "Bookpink" wurde sie 2020 für den Mülheimer Dramatikpreis nominiert. Theater heute erklärte sie zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres.
Alle Nachtkritiken zu Arbeiten von Caren Jeß finden Sie hier

Lydia Haider, geboren 1985 in Steyr, studierte Germanistik und Philosophie. 2020 war sie zum Bachmannpreis eingeladen und gewann den Publikumspreis. Sie ist Hausautorin des Wiener Volkstheaters und mit ihrer Reihe "Toter Salon" regelmäßig an der Volksbühne in Berlin zu Gast. Im November feiert dort auch das Musical "Hyäne Fischer" Premiere, zu dem sie den Text geschrieben hat. Darüber hinaus ist Haider Mitglied des Autorinnenkollektivs "Wiener Grippe / KW77" und Bandleaderin der Musikkapelle "gebenedeit".
Alle Nachtkritiken zu Stücken von Lydia Haider finden Sie hier.

 

 

Zur Reihe Streitfall Drama:

Gegenwartsdramatik ist weniger ein einheitliches Korpus von Textverfahren als vielmehr ein Prozess voller Widersprüche. In ihm wird verhandelt, welche Ästhetiken als produktiv gelten und sich durchsetzen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Poetologien und Schreibpraxen konkurrieren derzeit miteinander. Die Gesprächsreihe "Streitfall Drama" stellt diese vor und bereitet den Kontroversen um das Schreiben von Stücken eine Bühne. Jeweils zwei Autor:innen mit einander widersprechenden Positionen diskutieren darüber, wie ein Stück heute beschaffen sein sollte, welche Formen zeitgemäß sind und welche politische Funktion die Dramatik einnehmen kann.

Weitere Folgen:

Szene oder Fläche – wie ein Text Form annimmt mit Moritz Rinke und Thomas Köck

Beschreiben oder Befreien – Ein Gespräch über politische Dramatik mit Dominik Busch und Kevin Rittberger

Inhalt oder Form – Was zuerst da ist mit Helgard Haug und John von Düffel

Aushandeln oder Erzählen – Wenn Privates politisch ist mit Anne Habermehl und Ilia Papatheodorou

Schreibtisch oder Körper – Wo Text ensteht mit Yael Ronen und Marta Górnicka

Bühne oder Gesellschaft – Wo das Stück spielt mit Theresia Walser und Falk Richter

 

Streitfall Drama ist eine Kooperation mit dem Literaturforum im Brecht-Haus, gefördert vom Deutschen Literaturfonds.

 
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