Medienschau: Diverse – Kommentare zum Fall Caryl Churchill

Kein Verständnis für die Jury

Kein Verständnis für die Jury

3. November 2022. Wegen Antisemitismusvorwürfen wird die britische Autorin Caryl Churchill doch nicht mit dem Europäischen Dramatiker:innen Preis ausgezeichnet. Mehrere Medien kommentieren den Fall.

Die Gründe für den Rückzug der Jury liegen in Churchills Engagement für die Israel-Kulturboykott-Bewegung BDS. Ferner wird der Autorin vorgeworfen, ihr Stück "Seven Jewish Children" weise antisemitische Tendenzen auf. Erstmals kritisch berichtet hatte das Portal ruhrbarone.de. Mehr zum Verlauf der Debatte in unserer Meldung.

Als Stück einer innerisraelischen Diskussion wäre "Seven Jewish Children" in Ordnung, so Christian Gampert von Deutschlandfunk Kultur (1.11.2022), nicht allerdings in diesem europäischen Kontext eines Europäischen Theaterpreises. "Da wirkt das als ein Stück gegen Israel und gegen Juden an sich." Gampert hält die Wahl aber auch aus anderen Gründen für nicht nachvollziehbar. Seit vielen Jahren habe Churchill nichts mehr vorgelegt, was wirklich Substanz habe. Letztlich sei ihr Theater nur "Vehikel, um politische Haltungen zu transportieren". Das sei im Theater nicht genug. "Es reicht also auch rein künstlerisch nicht für diesen Preis."

Matthias Heine von der Welt (2.11.2022) schreibt, Churchill reproduziere in dem kritisierten Stück antisemitische Klischees, "u.a. von den zwei Gesichtern, die Juden der Welt zeigen – nach innen anders als nach außen". In ihrem Heimatland sei Churchill damit absolut im Einklang mit einer Tendenz unter Intellektuellen, Künstlern und allem, was mehr oder weniger links sei. "In einem Land, das eine andere historische Verantwortung und andere Sensibilitäten hat, könnte man aber erwarten, dass eine Jury sich bewusst würde, wie problematisch die Entscheidung für Churchill ist. Sonst hätte man die Wahl auch beim Blättern durch ein Lexikon der Gegenwartsdramatik treffen können.“

Tim Schleider von der Stuttgarter Zeitung (1.11.2022) äußert Zweifel an der Darstellung der Jury, diese habe bis zum Wochenende weder von den BDS-Unterschriften der Autorin noch von dem Stück "Seven Jewish Children" gewusst. Die Gründe: Das Stück liege auch in deutscher Übersetzung vor, dessen Uraufführung sei sowohl in englischen als auch in deutschen Feuilletons sehr kontrovers diskutiert worden. Und Churchill habe ferner um ihr Engagement für die BDS-Ziele nie ein Geheimnis gemacht.

(DLF Kultur / Die Welt / Stuttgarter Zeitung / miwo)

 

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