Presseschau vom 19. Oktober 2012 – die Süddeutsche Zeitung feiert 30 Jahre Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen

Absolut keine Sinnstiftung

Absolut keine Sinnstiftung

19. Oktober 2012. In der Süddeutschen Zeitung blickt Cornelia Fiedler auf 30 Jahre Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen zurück und schaut zugleich auf das diesjährige "Diskurs"-Festival des Instituts. Zentral seien dort "die intensiven Gespräche zwischen Publikum und Performern über Methoden und Wirkungsweisen – ein Standard am ATW." Fiedler zitiert den "Diskurs"-Mitorganisator Christoph Bovermann: "Es gibt einen politischen Anspruch, der zieht sich durch alle Ebenen. Außerdem schauen wir kritisch auf die Entwicklung der Kulturszene und, ganz wichtig, wir hinterfragen die Produktionsweisen von Kunst."

Dieses Hinterfragen, "der repräsentationskritische Ansatz, der sich von Brechts Utopie des Künstlers als Wissenschaftler ableitet", sei auch "eine der wenigen deutlichen Gemeinsamkeiten von Gießener Absolventen". Für Heiner Goebbels, der derzeit die künstlerische Professur am ATW innehat, bedeute die Arbeit dort "eine grundsätzliche Bereitschaft zum Experimentieren: 'Das heißt, Theater nicht einfach so zu machen, 'wie es eben gemacht wird', sondern immer zu fragen: Geht es nicht auch ganz anders?'"

Eine beispielhafte Arbeit des "Diskurs"-Festivals, die Fiedler anführt, ist "I/2/II", "eine Studie von Bachelor-Studierenden, entstanden in Kooperation mit der School of Arts in Brüssel. Sie treiben die Konzentration auf Elemente wie Klang, Licht und Bewegung auf die Spitze. Dunkelheit, rhythmische Wiederholung, absolut keine Sinnstiftung – das Publikum wird rückhaltlos auf sich selbst zurückgeworfen." Vielleicht, so vermutet Fiedler, sei "das der gemeinsame Nenner dieses Instituts, dessen Ästhetik die etablierten Bühnen längst übernommen haben, wenn auch oft unreflektiert: zu irritieren, zu verunsichern – wenn man es denn zulässt."

(wb)

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