Zweifel an Defizit-Vorwürfen gegen Ex-Intendant Hartmann
Ausgeglichen oder unausgeglichen?
Leipzig, 6. Dezember 2013, aktualisiert am 9. Dezember 2013. Die ehemalige Leitung des Theaters Leipzig wehrt sich gegen die Vorwürfe des Oberbürgermeisters Burkhard Jung, für ein Defizit von 400.000 Euro verantworlich zu sein. Ex-Intendant Sebastian Hartmann lässt durch einen Anwalt mitteilen, der von der Stadt beauftragte Prüfbericht "widerlegt die Behauptung (...), dass Sebastian Hartmann ein Minus von über 400.000 Euro zum Ende seiner Amtszeit zu verantworten hat". Außerdem lasse Hartmann das Verhalten des Oberbürgermeisters strafrechtlich prüfen.
Es ist die Reaktion auf eine Erklärung der Stadtverwaltung vom Vortag, dass der Bericht "grundsätzlich das bereits seitens des Schauspiels mündlich vorgetragene Defizit" bestätige.
Laut Hartmann und seinem Verwaltungsdirektor Volker Ballweg belegt der Bericht der Prüfgesellschaft bbvl aber vielmehr, "dass von dem für das Kalenderjahr 2013 angeblich erwarteten Defizitbetrag von 410.000 Euro lediglich 156.000 Euro der Intendanz Hartmann zuzuschreiben sind". Doch selbst diese Feststellung hält Hartmann zufolge einer Überprüfung nicht stand, "da die bbvl mehrere Sachverhalte (...) übersehen bzw. falsch zugeordnet hat. Unter Berücksichtigung aller dieser Faktoren hat die Intendanz Hartmann wie geplant mit einem mindestens ausgeglichenen Ergebnis abgeschlossen."
"Niemand konnte den Betrag belegen"
Am Donnerstag sagte bereits Reik Hesselbarth, Mitglied im Betriebsausschuss Kultur, dem Stadtmagazin Kreuzer gegenüber, dass die Zahl von 400.000 Euro "falsch" sei, die Mitteilung des Oberbürgermeisters "zweifelhaft". "Niemand in der gestrigen Runde konnte diesen Betrag glaubhaft belegen." So lässt auch Hartmann weiter mitteilen, der Oberbürgermeister "wiederholt den wahrheitswidrig aufgestellten Vorwurf, obwohl der Bericht dieses Defizit widerlegt und der OB dies weiß". (Nachtrag 9. Dezember: In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung nennt Till Briegleb seinerseits folgende Zahlen: "Während Hartmanns Abschluss ein Plus von rund 50.000 Euro aufweist, verändert sich diese Zahl in den Theaterferien nach seinem Abschied plötzlich auf 260.000 Euro Miese. Und überaus erstaunlich ist es, dass diese Zahlen von derselben Buchhaltung des Schauspielhauses erstellt wurden, aber für zwei verschiedene Intendanten.")
Dass es überhaupt zu dem Vorwurf des Defizits kam, hängt möglicherweise mit einem von Hartmann im Jahr 2012 im Wirtschaftsplan vermuteten Überschuss zusammen, der aber unverbindlich war und schließlich ausblieb. Der neue Sprecher des Leipziger Theaters bezeichnete diesen kurzfristig wegfallenden Betrag in einem Interview mit dem MDR als "Defizit".
(mw)
Mehr zum Thema: Einen großen Bogen machen – Zu den Umständen des 400.000-Euro-Defizits am Theater Leipzig
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Na, da sind wir doch dankbar, dass Sie so frei von Dünkel alle die abkanzeln, die genau wegen der Beschreibung von Herrn Weigel berechtigte Zweifel daran haben, ob hier nicht verschiedene Seiten mit gezinkter Karte gespielt haben, und diese Karte ist der Schwarze Peter. Was soll da so eine Phrase von wegen "Mehr Kunst, weniger Schlammschlacht"? Die Schlammschlacht, die sie jetzt von sich weisen, die hat schon vor Jahren angefangen. Ich meine damit nicht, dass ich der Hartmann-Intendanz kritikfrei gegenübergestanden habe. Aber was da an Spielchen getrieben wurden, was da an Dreckkübeln ausgegossen wurden, im Rathaus, in der städtischen Einheitszeitung, in den Leserbriefzeilen. Dabei hat auch niemand nach "Ende der Schlammschlacht!" gerufen. Das findet jetzt seine Fortsetzung in dieser Defizitdiskussion. Ein Intendant und sein Pressesprecher posaunen ein Defizit heraus, dass es so wahrscheinlich nie gegeben hat und schieben es dem Vorgänger in die Schuhe. Ein Minderheiten-OBM springt dem Intendanten bei, was er muss, weil er ihn im Alleingang ins Amt gehoben hat und bleibt noch bei seinem Vorwurf, als der sogar schon im Rathaus bestritten wird. Sie wollen doch wohl eher ein Opferlamm, das nicht mehr am Platz ist, damit ihr Theater endlich wieder in den künstlerischen Tiefschlaf verfallen kann. Hören SIE auf damit!
Ich bleibe dabei: Sie antworten auf einen Vorwurf, der sich möglicherweise - aber längst nicht sicher - noch als unberechtigt herausstellen könnte, mit ungeheuerlichen Unterstellungen an die Gegenseite und nehmen damit alle in Sippenhaft, Theaterleitung wie Politik. Das nenne ich Schlammschlacht. Es unterscheidet sich nach meinem Dafürhalten in der Qualität nicht von den Vorwürfen, welche die Bildzeitung erhebt. Ich bin allerdings auch der Ansicht von «Markkleeberger», dass dieser ganze Vorgang aufgeklärt gehört. Allein schon wegen des Umstandes, dass dieses angebliche Defizit anscheinend so schwierig auszurechnen ist. Misswirtschaft? Politische Mauschelei? Oder am Ende doch alles nur eine Frage der Auslegung? - Ich bin gespannt!