Pygmalion - Am Hamburger Thalia Theater zeigen Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper Willkommenskultur als demütigende Dressur
Das Grauen im Gruselidyll
von Jens Fischer
Hamburg, 19. März 2016. Hin und her taumelt eine sich ewig jung dünkende, agile, leicht mondäne Bussigesellschaft im Partymodus auf einer bürgerlich getäfelten Halfpipe. So stumm wie einsam. Als hätten sich Schrillschrauben aus einem Herbert-Fritsch-Tollhaus in Pina Bauschs "Kontakthof" verlaufen. Sie tanzen grotesk ihre Eitelkeiten und Spleens mit- und umeinander. Was so puppenlustig emotionsfrei geschieht, dass es nie schmerzhaft wirkt, wie alle einander ständig verfehlen. Dabei entwickeln sie eine erstaunliche Dynamik – jede mimische, gestische, körperliche Bewegung verändert stets minimal die rotierende Choreografie des Beziehungsgeflechts.
Katzelmacher - Abdullah Kenan Karaca inszeniert als Abschlussarbeit der Hamburger Theaterakademie auf Kampnagel Fassbinders Volksstück als bajuwarische Freakshow
Die Kartoffelgesellschaft
von Falk Schreiber
Hamburg, 4. März 2016. Ach, schön, der Frühling kommt. Noch liegt ein wenig Schnee, aber die Bäume blühen, die Vögel sind da, und die jungen Leute springen übermütig über die Wiesen. Denkt man, bis das Licht angeht und man erkennt: Marlene Lockemanns Bühne ist eine gemalte Kulisse, und für die Protagonisten von Rainer Werner Fassbinders "Katzelmacher" sind Löcher ausgespart, in die sie mehr schlecht als recht passen. Kein fröhliches Springen ist das, sondern ein verkrampftes Klammern an Strukturen, die nicht für einen gemacht scheinen.
Unterwerfung - Karin Beiers Houellebecq-Uraufführung ist eine atemberaubende Soloperformance für Edgar Selge und bleibt dabei diskursive Leerstelle
Das Kreuz fällt
von Falk Schreiber
Hamburg, 6. Februar 2016. Vielleicht sollte man Michel Houellebecqs "Unterwerfung" noch einmal neu lesen. Man sollte alle Feuilletondiskussionen vergessen, ob wir es bei der Vision eines islamistisch regierten Frankreichs mit einer hellsichtigen politischen Analyse zu tun haben oder mit einem islamophoben Machwerk, man sollte das Attentat auf die Charlie Hebdo-Redaktion vergessen, die Anschläge in Paris vergangenen Herbst, die Kölner Silvesternacht, vielleicht vergisst man den 11. September 2001 auch noch. Und dann kann man "Unterwerfung" lesen als das, was der vor etwas mehr als einem Jahr erschienene Roman eigentlich ist: als dystopischen Science-Fiction-Reißer, mit dem Hang ins Verschwörungstheoretische, der diesem Genre innewohnt, aber auch mit der sozialkritischen Kraft und erzählerischen Wucht, die eine gelungene Dystopie ausmachen. Man sollte "Unterwerfung" noch einmal so lesen, nackt und naiv, und dann könnte man den Roman vielleicht auf eine Theaterbühne bringen.
Regie: Jette Steckel
Regie: Antú Romero Nunes
Regie: Gisèle Vienne
Regie: John Adams / Lucinda Childs
Regie: Mona Kraushaar
Regie: Tiit Ojasoo & Ene-Liis Semper
Regie: Nico and the Navigators
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