Kandidat der Regierung wird Intendant des Ungarischen Nationaltheaters
Wunschkandidat von rechts
17. Dezember 2012. Wie u.a. die österreichische Tageszeitung Der Standard unter Berufung auf die Agentur APA online meldet (17.12.212), wird der aus der ungarischen Minderheit in der Ukraine stammende Regisseur Attila Vidnyánszky neuer Leiter des Nationaltheaters in Budapest. Seine fünfjährige Amtszeit soll im Juli nächsten Jahres beginnen. Damit habe sich der Wunschkandidat der Kulturpolitiker um den rechts-konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Rennen um den Intendantenposten durchgesetzt. Vidnyánszky wird Robert Álföldi ablösen, der das Nationaltheater zwar mit "viel Erfolg und starker Besucherauslastung" geleitet habe, aber wegen seines "modernen Theaterstils, seiner Absage an einen engen nationalistischen Kanon und seiner eigenen Homosexualität immer wieder zur Zielscheibe rechtsextremer Proteste" geworden sei.
Vidnyánszky (geboren 1964) gründete nach dem Regiestudium in Kiew 1992 ein ungarischsprachiges Theater. Um die Jahrtausendwende kam er nach Ungarn, seit 2007 leitet er das Theater in Debrecen.
(Standard / chr)
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Ruhe und ein rechtes Theater?! Aber wie sieht das aus? Insbesondere, wenn wir statt „Ungarn“ Deutschland nehmen. Wie „rechts“ darf das Theater sein?
Aber so ist es nicht. Sogar Kriminelle können Kunst produzieren.
Es geht, so denke ich, in Budapest auch gar nicht um "rechts" oder "links", sondern darum, dass Leitungspersonal nach ihren politischen Haltungen ausgewählt werden.
Dies dürfte in der BRD kaum anders sein. Denn auch einen "Gemäßigten" als Intendanten zu wählen, ist ein politisches Kriterium.
Mich würde ein rechtsradikaler Intendant in der BRD sehr interessieren, solange ich ihn in einer pluralistischen und polyphonen Theaterlandschaft erleben dürfte. Und hieran mangelt es wohl in Ungarn.
Die Vielstimmigkeit ist ein Privileg der Demokratien und wird auch hier nicht wirklich gepflegt.
pardon, aber das ist doch "Dummquatsch". Es könnte darum gehen, wenigstens in der Kunst die Vielschichtigkeit menschlichen Daseins abzubilden.
Diese Vermengung von Demokratie und Wohlstandssättigung, das ist widerlich und prejudizierend.
"Ich zweifle, daß eine Gesellschaft sich den Begriff der Freiheit auf die Fahnen schreiben kann, wenn in ihr das Aggressionspotential der Werbung für Kauf, Verkauf, Profit stärker ist als das der Propaganda für den Klassenkampf oder den Machterhalt einer Partei, die sich die Diktatur (von wem auch immer) auf die Fahnen schreibt. Wir leben in einer unfreien Welt, in einer Gesellschaft, deren Voraussetzung die Ungleichheit und der Machterhalt von ökonomischen Eliten ist."
So schreibt Volksbühnen-Chefdramaturg Thomas Martin auf http://www.volksbuehne-berlin.de/deutsch/denkzeichen/. So lange er das tun darf, ohne gefeuert zu werden, bin ich beruhigt. Denn in diesem Falle hätte Baucks nicht recht, "dass Leitungspersonal nach ihren politischen Haltungen ausgewählt werden."
@4: "Nein, wir sollten das nicht akzeptieren, sondern vor allem hinterfragen, ob die Wahl Attila Vidnyanszkys zum Intendanten im Hinblick auf die Bedürfnisse der Budapester Bürger oder aus einem parteipolitischen Gefeilsche heraus erfolgte."
Die Ereignisse rund um das ägyptische Verfassungsreferendum zeigen uns leider, dass demokratische Mehrheiten in der Realität gegen demokratische Freiheiten votieren können. Ist logisch zwar absurd, phänomenologisch aber leider Tatsache.
welchen Genuss der "Vielschichtigkeit menschlichen Daseins" bereitet es Ihnen eigentlich, wenn homosexuelle Intendanten aus diesem Grunde abgesetzt werden?
Die Vielstimmigkeit ist ein Privileg der Demokratien und wird auch hier nicht wirklich gepflegt." - Da geh ich mit! Komisch nur, dass ich dabei an den us-amerikanischen Freiheits-Gedanken denken muss. Vielleicht ganz gut. Regt die Diskussion an.
ich rede ungern mit ihnen, denn dann macht man sich in der Tat lächerlich. - Machen sie sich aber bitte keine Sorgen. Sie werden in der BRD keinen rechtsradikalen Intendanten finden.
Jedoch geht es bei Intendanten auch nicht um Nutzen. Es geht darum, dass sich jede gesellschaftliche Gruppe subventioniert künstlerisch ausdrücken darf. Aber davon sind wir weit entfernt.
Die Klientel, die hier bedient wird, ist ungefähr so schmal, wie ihre Auffassungen von Kunst.
man muss ihnen zu Gute halten, dass sie sich für keine Melange zu schade sind.
Ich hingegen betonte, den Mangel an der Abbildung der Vielschichtigkeit menschlichen Daseins in der Kunst und seinem künstlerischen Personals, und in diesem Sinne halte ich natürliche keien sexuelle Präferenz für einen auch nur irgendwie gearteten Kündigungsgrund. Aber ich denke, dies ahnen sie schon.
Auch werde ich nicht in ihrer Handbibliothek von Kinderbüchern nachschlagen, was ich zu denken habe.
Und die scheinbar logischen Absurditäten einer ägyptischen Demokratie gelten hier wohl wenig, den wir gehen doch mit dem Begriff der "Machtergreifung" in der BRD hoffentlich komplex genug um, will mir scheinen, und genießen dort auch einige gesetzliche Sicherheiten. Gott sei Dank.
Aus dem Wörterbuch des kleinen Diktators: "...dass sie sich für keine Melange zu schade sind. ICH hingegen..."
Gräfin, wir sind so schrecklich vornehm...
Da hätte ich dann auch mal ein Zitat zum Nachdenken: „Mi-en-leh lehrte: Das Einführen der Demokratie kann zur Einführung der Diktatur führen. Das Einführen der Diktatur kann zur Demokratie führen." B. Brecht (Buch der Wendungen)
Oder Sie lesen bei Ernst Bloch über die "Ungleichzeitigkeit" des Kleinbürgertums nach, Herr Graf.
http://www.dailymotion.com/video/xgn2qr_daniel-cohn-bendit-face-a-viktor-orban-au-parlement-europeen_news#.UNBqq2fo9XU
Natürlich sind die Verhältnisse in Budapest erschütternd. Aber ein ähnliches Problem entwickelt sich mittlerweile auch in Griechenland, wo unter dem Eindruck der Finanz- und Wirtschaftspolitik die Rechten immer mehr Zulauf bekommen. Und dieses Problem findet sich auch in Italien, denke ich, und kann sich epidemisch ausbreiten.
Um so wichtiger ist es, linke wie rechte Kräfte in die Mitte einer demokratischen Gesellschaft durch Verantwortung hineinzuziehen.
Es ist ja fast schon sozialpädagogischer Ansatz, wenn ich meine man sollte radikale politische Haltung in die Kunst einbinden. In der gesellschaftlichen Isolation werden sie zur echten Gefahr in der wirtschaftlichen Krise. Müssen sie sich aber im Parlament und in der Kultur und Kunst öffentlich verantworten, stehen ihnen viele entgegen, die ihren Einfluss relativieren können.
Es geht ja gar nicht so sehr darum, ob die Macht eines Ministerpräsidenten/Regierungschefs/Bundeskanzlers usw. demokratisch legitimiert ist. Sondern es geht vielmehr um den demokratischen Exzeß des "Anteils der Anteillosen", durch welchen die hierarchische Gesellschaftsordnung immer schon und jeder Zeit wieder potentiell hinterfragt werden kann, indem dieser "Anteil der Anteillosen" den Ort der staatlichen Repräsentanz selbst in seine Richtung dreht und nicht nur zeitweise besetzt.
Den Zusammenhang verstehe ich jetzt nicht ganz. Wer sind denn in diesem Fall die Anteillosen? Die linken oder nicht-nationalistischen Künstler, die nun nicht mehr im ungarischen Theater vertreten sind? Was hat das mit Rancières Theorie von Politik zu tun? Theater sollte doch gerade nicht der Ort staatlicher Repräsentanz sein. Aber die ungarische Regierung besetzt Posten nach ihren Vorstellungen und ist damit auch mehrheitsfähig, da ja demokratisch gewählt. Und doch, ein rechter Intendant bewirkt etwas. Man kann so natürlich seine Meinungsmacht in Bildmedien, Theater, Presse etc. festigen. Hier in Deutschland, auch in Österreich gab es so einen Fall (nicht rechtsradikal aber eben parteipolitisch, erzeugt das sofort einen Aufschrei der unabhängigen Presse. Aus Ungarn hört man nichts dergleichen. Also dieser Diskurs der unterschiedlichen Kräfte findet doch gar nicht mehr statt. Durch diese Gleichschaltung wird die sogenannte Unterbrechung der Verteilungslogik nach Rancière doch massiv behindert. Da dreht sich bald nichts mehr.
Mir ging es auch eher darum aufzuzeigen, dass die grundsätzliche Gleichheit aller Menschen darin besteht, dass alle Menschen vom Denken und Handeln her dazu fähig sind, Gesellschaft (künstlerisch oder nicht-künstlerisch) zu gestalten und grundlegende Machtstrukturen dadurch zu unterlaufen, indem man eine Verkehrung der Perspektiven erzeugt. Und zwar im Sinne von: Man kann es auch ganz anders wahrnehmen, je nachdem, in welcher Lage/Situation man sich gerade befindet. Es geht mir dabei nicht um den Begriff der Repräsentation einer Gesellschaft im Rahmen eines staatlichen Gebildes, es geht mir dabei auch nicht um die Bildung linker Kollektive, sondern um die grundsätzlichen Ungesichertheit von Politik als Repräsentation, um die grundsätzliche Anarchie der Verhältnisse. Es gibt immer Alternativen zum Bestehenden. Wer das schon nicht mehr denken kann oder will, der hat bereits verloren. Vielleicht geht's aber auch nur so: "Ohne Hoffnung und Verzweiflung leben" (Heiner Müller). Tragisch ist es auf jeden Fall.
Sie finden keinen rechtsradikalen Intendanten, weil diese Gruppe vor ab von jeder kulturellen Verantwortung abgeschnitten und ausgeschlossen wird. Ein kardinaler Fehler, wie Stefan völlig richtig beschreibt. Denn so wird die eigentlich demokratische Debatte im Kern ausgehebelt. Und insofern hätte eine solche Intendanz natürlich eine Funktion.
„Mir fehlt gelegentlich die durchaus auch analytische Begleitung solcher politischen Prozesse, bei denen das, was man eigentlich als Reflex erwartet, nicht stattfindet, nämlich die einen sind dafür und die anderen dagegen und beide möglichst lautstark und mit möglichst viel Leidenschaft, sondern wo auch und gerade bei sehr schwierigen Fragen, es ein erstaunliches Maß an gemeinsamem Verhalten der politischen Klasse gibt, das muss ja kein Nachweis für mangelndes Nachdenken und mangelnde Sorgfalt sein, es muss schon gar nicht ein Nachweis für Feigheit sein, aber es ist natürlich unter vielerlei Gesichtspunkten ein hochinteressanter Vorgang, und dass wir bei solchen Themen, wie all den Fragen und Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit dem Euro und der Überschuldung einer Reihe, der allermeisten der Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaft stellen, uns in der Situation befinden, dass es eine große übrigens auch verständliche, berechtigte Skepsis der Öffentlichkeit gibt, die sich im Parlament so nicht abbildet, weil das Parlament regelmäßig nach durchaus gründlicher Befassung mit dem Gegenstand, dann mit breiten Mehrheiten über die Koalition hinaus beschließt, ja es muss im Ergebnis so sein, wie es ist. Das ist auf der einen wie der anderen Seite diskussionswürdiger Vorgang, bei denen mir zu häufig nur die eine Seite beleuchtet wird.“
(Bundestagspräsident Norbert Lammert im „ARD Presseklub“ am 16.12. 2012)
da verstehen Sie mich jetzt aber völlig falsch. Ich meine, dass durch die bewusste parteipolitische Besetzung von Posten in Kultureinrichtungen, Medieräten etc. ein Ungleichgewicht der Kräfte installiert wird, das andere von der Teilnahme am Diskurs ausschließt, in Ungarn sogar bewusst ausschließen soll. Solche Bestrebungen und Versuche der Parteien Einfluss zu nehmen, gibt es bei uns auch immer mal wieder, nur nicht in diesem Maße wie zurzeit in Ungarn. Rechts- bzw. linksradikale Parteigänger haben in entscheidenden Positionen, auch in Kunst und Kultur, einer Demokratie nichts zu suchen. Ich weiß nicht, auf was für ein gefährliches Eis Sie sich da begeben wollen. Ich muss radikale Kräfte nicht erst in Verantwortung holen, um mich mit ihnen auseinandersetzen zu können. Jede Plattform die man denen bietet, würde genutzt werden, nicht zum gemeinsamen Diskurs, sondern zur Umsetzung radikaler Ziele. In Ungarn sind das Hass und Hetze gegen Andersdenkende und Minderheiten. Die Meldung über den Jobbik-Politiker, der Juden als nationales Risiko einstuft und registrieren lassen will, ist da nur ein Beispiel. Und hier muss man sich jetzt fragen, wie es soweit kommen konnte und ob es nicht auch bei uns ein Potential dafür gibt. Und das gibt es. Welchen NPD-nahen Kulturschaffenden würden Sie denn, Herr Baucks, z.B. für die Intendanz der Volksbühne oder des BE vorschlagen, und was würde der dann mit den subventionierten Steuergeldern spielen? Was für eine Partei ein Intendant wählt, darf nicht ausschlaggebend für seine Berufung in das Amt sein. Es ist schon schlimm genug, dass es in Kulturausschüssen und Kontrollgremien immer wieder ein Gerangel um den Parteienproporz gibt. Die Kunst sollte zumindest von dieser Art Einflussnahme frei sein. Und warum sich Politiker zunehmend so verhalten, wie Lammert es da beschreibt, ist die verzweifelte Anstrengung, ja nichts falsch zu machen. Die große Koalition der opportunistischen Mitläufer, die an ihren Posten hängen. Das stärkt übrigens den radikalen Rand, der nun seinerseits in die Mitte der Gesellschaft drängt. Das ist der einzige Diskurs der noch stattfindet. Die Ignoranz der Politik gegenüber der öffentlichen Meinung einerseits (man könnte das auch als Angststarre bezeichnen) und die Hörigkeit gegenüber sogenannten Experten, Rankingagenturen und sonstigen Wirtschaftsweisen. In Ungarn habe die Leute an den Aufschwung geglaubt und sich teilweise hoch verschuldet. Die Finanzkrise hat dort viel härter zugeschlagen als z.B. hier in Deutschland. Das schreit förmlich nach Radikalität. Ich habe nicht umsonst Ernst Bloch und den Kleinbürger erwähnt. Mit nationalistischen Parolen kann man in Krisenzeiten immer die Massen mobilisieren. In Deutschland und Ungarn gab es da schon immer ein breites aufnahmebereites Spektrum. Es gibt aber zumindest noch eine einigermaßen wahrnehmbare Gegenwehr in der Bevölkerung. Und so kann man für Ungarn nur hoffen, dass der Protest gegen solche Bestrebungen in der Regierung Orban nicht nachlässt. Und hier ist auch die EU, die sich ja freudestrahlend dieser Tage einen Friedensnobelpreis abgeholt hat, in der Verantwortung.
Nein, würde ich nicht wollen. Ich habe ja nichts gegen Radikalität in der Kunst. Aber was wollen Sie damit sagen? Dass Brecht Parteisoldat war und sich einer bestimmten Sache angedient hat? Oder das Wagner Antisemit war? Das weiß man heute alles und kann es in den richtigen Kontext einordnen. Ich denke in Ungarn geht es schon noch um etwas anderes. Ist das jetzt Ihre These zur guten rechten oder linken Kunst? Was haben denn Brecht und Wagner mit ihrer Kunst bewirkt, bzw. wem haben sie damit geschadet? Das ist mir ein wenig zu kurz gedacht. Da besteht schon noch ein nicht unbeträchtlicher Unterschied. Übrigens hätte Brecht in der BRD nie ein Theater bekommen. Wie es dazu kam, kann man heute nachlesen. Aber dass er sich dafür bei den Parteibonzen angebiedert hätte, ist mir nicht bekannt. Das Thema Wagner und die Juden ist dagegen schon sehr kritisch zu betrachten. Und Wagner hatte einflussreiche Mäzene, die sich keiner Wahl stellen mussten, aber auch nicht unbedeutende Feinde. Beide Künstler haben aus einer inneren Überzeugung heraus gehandelt, und für die Schaffung ihrer Kunst ein eigenes Haus gebraucht. Das kann man natürlich heute auch ganz unterschiedlich bewerten.
Wir kennen ja alle Attila Vidnyanszky gar nicht wirklich. Da steht in der Meldung, dass er sich zunehmend dem rechten Lager in Ungarn als konservativer und anti-modernistischer Theatermacher anbot. In welcher Form auch immer. Der Skandal besteht ja nicht allein darin, sondern in der Tatsache, dass dafür ein Intendant, trotz großer Erfolge, wegen seiner Homosexualität und weil er sich nicht den nationalistischen Tendenzen anschließen will, von seinen politischen Gegnern abgesetzt wurde. So etwas ist mit Sicherheit auch in der DDR passiert. Wolfgang Langhoff wäre da ein Beispiel, obwohl er nicht abgesetzt wurde, aber zumindest unter hohem Druck selbst zurückgetreten ist. Mit Sicherheit gibt es noch weitere Kandidaten. Für mich ist das die Vorstufe der Gleichschaltung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Und Wagner und Brecht als Beispiele für radikale Künstler in Führungspositionen zu bringen, halte ich zwar prinzipiell für diskussionswürdig, aber als Relativierung des Ganzen auch für sehr bedenklich. Da wären vielleicht andere eher angezeigt, wie zum Beispiel Gustaf Gründgens oder auch Arnolt Bronnen als Programmleiter beim Fernsehen in der Nazizeit. Aber auch darüber kann man ja bekanntlich streiten.
Und noch etwas, wo Sie von historischen Zusammenhängen berichten. Welche historischen Zusammenhänge sehen Sie denn in Ungarn, oder gibt es da gar keine?
Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber ich bin als Kind und Jugendlicher in einer BRD groß geworden, in der es hitzige Debatten im Bundestag gab, und ich habe von diesen Debatten einiges gelernt.
Wo sind die heute? frage ich mich. Heute pflegt man eher eine Weimarer Unart. Wenn die Opposition redet, geht die Kanzlerin, wie man schön an folgendem Video beobachten kann.
http://www.youtube.com/watch?v=-zgnUgKsHRo
Auch würde ich gerne wissen, wie weit sie sich als "linker" Intendant in Bochum verstanden haben? Fanden sie sich radikal?
Und glauben sie, dass wenn schon nicht im Parlament, dass dann wenigstens heute das Theater das ganze Spektrum politisch, menschlicher Haltungen abbildet?
fragen, ist ja nur eine Vorform des Denkens, von daher weise ich dies "zu kurz gedacht" zurück. Ich werde mal die Antwort von Herrn Steckel abwarten. Dann sieht man weiter.
Also, ich würde sagen, obgleich ich ihn persönlich nicht kenne, dass auch Herr Steckel nicht unfehlbar ist. Manch einer nennt ihn gar einen Heuchler, und zwar der Ex-Berliner Kultursenator Roloff-Momin, bezogen auf den Kontext der Debatte um die Schließung des Schiller-Theaters, nachzulesen im Buch "zuletzt: kultur" von Roloff-Momin auf Seite 113. Steckel schloss sich damals dem Boykott der Kulturstadt Berlin an, bot sich gleich darauf aber dem Maxim Gorki Theater als Intendant an.
Aber, solange die Herren für die Sache streiten und nicht immer nur für die eigene Karriere, ist ja alles in Butter. Und genau darum sollte es im Theater wie in der Politik ja auch gehen. Weniger um Personalisierung, sondern vielmehr um die Sache, um die ÄSTHETIK, welche in sich politisch ist bzw. Einsatzräume des Politischen hervortreibt. Und warum soll man auf der Bühne nicht gerade auch das zeigen dürfen, was eine Gefahr für das öffentliche Gemeinwesen bedeuten könnte? Ich zitiere Hans-Thies Lehmann, welcher die Ästhetik Einar Schleefs (um nur EIN Beispiel nennen) folgendermaßen beschreibt:
"Theater ist durch außerideologische Darstellung fähig, auch dem üblichen Nachdenken über Gesellschaft einen Schock zu versetzen. Wenn die 'linke' Kritik an Schleef den aufklärerischen Impuls vermisst, so fällt sie der Verwechslung des ästhetischen und des politischen Diskurses zum Opfer. Es kann gerade die Demontage der 'guten' Ideen sein, der Mut, sich unheimlichen und gefährlichen Verhaltensformen und Wünschen zu nähern, was zum authentischen künstlerischen Kampf gegen bedrohliche soziale Tendenzen von 'rechts' in der Realität taugt."
(Quelle: Arbeitsbuch zu Einar Schleef, Theater der Zeit)
Link: http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=IqoPP4OCv9Q
Genug Radikalität Herr Baucks? Ich denke, Herr Steckel muss sich hier nicht mehr extra erklären.
@ Inga
Erkennen Sie eigentlich einen Rechtsradikalen erst, wenn er mit der Baseballkeule vor Ihnen steht? Und führen Sie dann schnell noch einen ästhetischen Diskurs mit ihm über rechte Tendenzen im Theater und der Realität, bevor er zuschlägt? Ich glaube Schleef passt da ebenso wenig als Vergleich, aber vielleicht ja Schlingensief mit seinem Naziaussteiger-Hamlet 2001 in Zürich.
„Schlingensief hat den Hamlet sehr ernst genommen. Er hat ganz Zürich in den "faulen Staat" verwandelt. Er hat Schauspieler und Nichtschauspieler gleichberechtigt auftreten lassen und die ganze Stadt als Theater behandelt, in der "nur" gespielt wird, und im Theater den Lernprozeß der zweifelnden Neonazis nicht von Schauspielern darstellen lassen, sondern diese selbst mit dem Text und dem Theater konfrontiert. Über die Auseinandersetzung mit Gustav Gründgens' Hamlet-Inszenierung von 1964 hat er die Geschichte des Stücks und seiner Inszenierungen und insbesondere auch die politische Geschichte der künstlerischen Mitläufer und Nutznießer des Faschismus und des Theaterfreiraums reflektiert. Damit haben Schlingensief und alle, die mitgemacht haben, synchron, auf der Gegenwartsebene und diachron, auf der historischen Ebene die Shakespearsche Unschärferelation an sich selbst erfahren können, und die Zuschauer hatten zumindest die Chance, daran teilzuhaben. Geschichte und Gegenwart, Theater und Gesellschaft, Schauspieler und Publikum verfließen ineinander und lassen sich nur als perspektivischer Schein analytisch trennen.“ Dramaturg Carl Hegemann auf: http://www.schlingensief.com/projekt.php?id=t034
Welche Parteigänger dürfen denn dann ein leitendes Amt im Theater bekleiden?
Denn ehrlich gesagt so eine Formulierung "Rechts- bzw. linksradikale Parteigänger haben in entscheidenden Positionen, auch in Kunst und Kultur, einer Demokratie nichts zu suchen." bereitet mir persönlich einiges Kopfzerbrechen.
Schließt das Herrn Steckel oder Brecht und Wagner mit ein oder aus? Hört Ungarn auf eine Demokratie zu sein, wenn Attila Vidnyanszky sein Amt antritt?
Gleichwohl stehe ich beispielsweise dem Umgang der LINKEN mit dem ehemaligen Richter Wolfgang Neskovic skeptisch gegenüber. Hier nachzulesen:
http://www.fr-online.de/politik/die-linke-in-brandenburg-gebt-ihm-den-laufpass-,1472596,21051086.html
@ Stefan: Ich empfinde diese Frage als absurd. Als ob man einen Rechtsradikalen sofort anhand bestimmter Merkmale als einen solchen erkennen könne. Dazu müsste man diesen sich erstmal äussern lassen bzw. reden hören, womit er sich dann möglicherweise selbst entlarven würde. Und zudem besteht ja aktuell vielmehr das Problem, dass rechte Tendenzen bereits in der sogenannten Mitte der Gesellschaft zu verorten sind bzw. dort Anklang finden. Hinzufügen möchte ich auch, dass es hier nicht allein um "links" und "rechts" gehen kann, sondern vielmehr um unzählige andere politisch-ideologisch und/oder religiös motivierte Abgrenzungen zwischen bestimmten und auch innerhalb bestimmter sozialer bzw. kultureller Gruppen. Von solchen Fragen müsste das Theater handeln. Wie wir über Begriffsbildungen zu bestimmten fiktiven UND realen Grenziehungen zwischen Menschen kommen. Es gibt weder DIE Linken, noch DIE Rechten. Ein Chefideologe wie Haider in Österreich ist genauso rechts wie der Neonazi-Schlägertrupp um die Ecke. Die eigentliche Frage ist also: Wie kommt es, dass Menschen sich immer wieder sogenannten Führungsfiguren anhängen müssen, anstatt das eigene Denken dazwischenzuschalten bzw. selbständig zu entscheiden, was für sie selbst gut und richtig ist? Adorno hat diese Figur des blinden Gehorsams (gegenüber Gott u.a. Führern) als autoritären Charakter bezeichnet.
Aber es ist doch so, obwohl hierzulande keine rechts- wie linkskonservativen Kräfte eine größere Rolle im Theater spielen, wurden in Deutschland Migranten von Neonazis, man möchte fast sagen, unter Aufsicht des Staatsschutzes ermordet.
Glauben sie denn da tatsächlich noch, dass wenn man die kulturellen Betriebe von solchen Kräften freihält, man rechts motivierte Morde somit verhindern kann?
Die Art und Weise, wie wir auf Budapest schauen, folgt genau dieser unserer Logik. Wenn nur diese "Kräfte" nicht offen auftreten, dann ist die Demokratie gewährleistet.
Was für ein Trugschluss.
Wechseln sie einmal die Perspektive und schauen einmal von Budapest nach Berlin.
Da gibt es einen Oberbürgermeister, der gerade, nicht ganz zu Unrecht, zum peinlichsten Berliner der Stadt gewählt wurde, und der hartnäckig an einem Intendanten am BE festhält, der seine traditionell verstaubte Theaterästhetik gegen das moderne und junge Regie- und Diskurstheater auf geradezu fatale Art verteidigt.
Wieso sollte sich da Budapest nicht ein wenig wertkonservatives, nationales Theater gönnen?
Ich bin wirklich wund davon, wie wir auf eine Vielzahl der Demokratien des "europäischen Auslands" blicken. Wir kritisieren ihre Finanzen, ihre Wirtschaft und ihre Kultur. An allem versuchen wir von Deutschland aus Korrekturen vorzunehmen, obwohl wir selber, da haben sie völlig Recht, einige heftige ungelöste kulturelle Probleme haben, zu denen auch diese Morde gehören.
Lesen sie einmal den Bericht zur Menschenrechtslage in Europa und der BRD von Konstantin Dolgow, einem Sonderbeauftragten des russischen Außenministeriums, dort verschieben sich Perspektiven.
Ungarn ist eine sehr junge Demokratie, die sich in einer Phase der Gefährdung befindet, wie wir sie in den sechzigern und siebzigern, aber auch heute noch, erlebten und partziell immer noch erleben müssen. Wo sich die Bürger unseres Landes hinbewegen, wenn die Wirtschaftskrise uns erreicht, wissen wir nicht. Potential für Gefährdungen gibt es genug.
Es ist kaum mehr mit anzusehen, wie wir unsere Klimmzüge an den Fehlern anderer Demokratien veranstalten, als ob wir die Weisheit mit Baggern gefressen hätten. Und dies in einem historischen Moment, wo wir uns um eine gemeiname europäische Kultur bemühen sollten.
Wir kennen die Arbeit des neuen Intendanten am Budapester Nationaltheater noch gar nicht, aber schon beugen wir uns über ihn, als wäre er ein "deutscher Neonazi", den wir von Berlin aus verhindern müssen.
Sicherlich ist es bedauerlich, dass für ihn ein Intendant mit einer moderneren Theaterästhetik weichen soll. Aber dies sind Vorgänge, die man in anderer Form auch in der BRD beschreiben könnte. Letztendlich entscheidet sich die Qualität einer Demokratie nicht in seinen Theatern. Dieser Einfluss ist schon lange verspielt; was auch ein wenig damit zu tun hat, dass viele Theaterleute in der BRD immer noch wie moralische Instanzen durch die Welt wandeln und genau kontrollieren wollen, wer da die Bretter der Welt betreten darf und wer nicht.
Tatsächlich aber befinden sich viele Theater auch in der BRD in einer staatlichen Umklammerung, von der sie sich nicht mehr zu befreien wissen.
Ich warte auf den Moment, wo ein russischer Beobachter feststellt, dass gerade in den strukturschwachen Regionen der BRD eine kulturelle Unterversorgung durch Sparmaßnahmen staatlich erzwungen wird, und an den wenigen Theater, die noch verbleiben, durch ihre staatlich erzwungene merkantile Ausrichtung jede systemkritische Arbeit weitgehenst erstickt wird.
Aber genau das meine ich doch. Dem einen können Sie die Gesinnung schon am Äußeren ansehen und dem anderen eben nicht. Der eine sitzt im Theater, der andere lärmt davor herum. Während Schlingensief den aus- und wieder (in die Gesellschaft) einstiegswilligen Rechtsradikalen eine Bühne bietet und die, die schon drin sitzen, in das Geschehen da draußen hineinzieht, und ihnen damit zeigt, wo sich eigentlich ihre Mitte wirklich befindet, könnten beide etwas davon haben. Wenn die Bühne die Gesellschaft aber nicht mehr kritisch abbildet, wie sie sich da draußen zeigt (Also damit meine ich jetzt keinen übertriebenen Realismus, Kunst sollte schon vielschichtiger sein.), dann verklärt sie entweder die Probleme, oder schlimmer noch, sie verfälscht sie. Diese Gefahr besteht, wenn demnächst das ungarische Nationaltheater eine Institution ist, welche die nationalen Werte repräsentiert, wie Vidnyanszky heute in der Berliner Zeitung zitiert wird. Er will die angeblich durch Alföldel geraubten Stücke dem ungarischen Volk zurückgeben. Das Eröffnungsstück soll "Held János" von Sandor Petöfi (der ungarische Goethe) sein. Nun, das ist kein Faust, eher ein schönes poetisches Märchen über den Mut eines einfachen Hirten, der zum Helden wird, und den Sieg der Gerechtigkeit. Ich sehe schon die Fackelträger vor meinem geistigen Auge aufmarschieren.
Unsere Demokratie ist davon bestimmt, es erst gar nicht soweit kommen zu lassen. Sie lebt von der Idee des Verhinderns und versucht diese durch Vermeidungsstrategien zu realisieren. Nun finden wir uns aber in einer Situation wieder, in der wir als Europäer indentifiziert werden, und um uns herum leben lauter Nationen, die zu Teilen ein viel ungebrocheneres Verhältniss zu ihrer Nation haben. Sie haben überhaupt kein Bedürfniss danach sich vielfachgebrochen in der Realität gespiegelt zu sehen. Das mag uns missfallen, ermächtigt uns aber noch lange nicht schlingensiefsche Korrekturen an ihen vorzunehmen.
Niemand von uns kann wirklich etwas über die politische, kulturelle und wirtschaftliche Zukunft Europas sagen, solange es keine europäische Verfassung gibt. Momentan befinden wir uns in einem Zustand einer gemeinsamen Währung und bilden dabei nicht einmal einen gemeinsamen Wirtschaftsraum ab; dort herrscht immer noch harte Konkurrenz. Da versteht es sich doch fast von selbst, dass es in der Kultur krasse Abgrenzungsversuche gibt. Frau Merkel wird in der europäischen Presse immer wieder in einer Naziuniform abgebildet. Erkennen sie die Gründe hierfür?
Da ist es ja fast schon logisch, nachdem die BRD versucht allen Ländern um sie herum Sparvorgaben nahezulegen oder gar aufzuzwingen, dass sich solch nationale Bewegungen, wie in Ungarn, aber auch Griechenland und Italien in der Form herausbilden können. Sie müssten die Entwicklung in Budapest in einem europäischen Zusammenhang erläutern, dann kämen sie der Sache eventuell näher.
@ martin baucks: Was meinen Sie mit dem Begriff "Schlingensiefsche Korrekturen"? Soweit ich weiss, geht es beim EXIT-Programm doch gerade nicht darum, dass der Anstoß zur Veränderung von aussen kommt, vielmehr muss der Wille zur Veränderung von der inneren Einstellung bzw. Orientierung her kommen. Meines Wissens ist Schlingensief an den Ex-Neonazis krass gescheitert. Das hat er auch selbst zugegeben. In anderer, aber ähnlicher Weise ist auch Dirk Laucke an den "Ultras" gescheitert. Aber in beiden Fällen würde ich sagen: Es ist notwendig, diese Gruppen überhaupt erst einmal zu Wort kommen zu lassen, egal, ob in der dokumentarischen oder fiktiven Form. Nur so kann auf problematische gesellschaftliche Tendenzen aufmerksam gemacht werden.
Was für ein Brei. Erkennen sie eigentlich den Unterschied zwischen den Teilnehmern an jenem Schlingensief- und Laukeprojekt zu Viktor Orban und Attila Vidnyanszky? Oder ist das für sie alles eine Soße?
Aber meines Erachtens muss man genau das eben auch zusammendenken. Es geht um die Vermittlung des Künstlerischen und des Politischen. Ein Kommentar von Ralf Schnell zu Peter Weiss' "Ästhetik des Widerstands" könnte die Situation ziemlich genau beschreiben. Es gehe nach Schnell um:
"[...] eine Ästhetik, die in sich politisch ist, um eine Politik, welche die Formen, in denen sie sich vergegenständlicht, als Ausdruck ihrer Zielsetzungen - oder aber ihres Versagens! - begreift."
Und das kann man nicht nur auf die nationalstaatliche Ebene, sondern auch auf die europäische Ebene beziehen. Wenn Demokratie nichts weiter meint, als das Regieren einem kleinen, auserwählten und mit dem Finanzkapital verbandelten Personenkreis zu überlassen und so im Grunde bereits ohne das Volk zu regieren, wenn Demokratie nichts weiter meint, als sich permanent in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten einzumischen, dann ist das letztlich keine Demokratie mehr, sondern eine Oligarchie. Wenn der Begriff der Demokratie also mittlerweile nichts weiter bedeutet als Kapitalismus, dann sollten wir vielleicht doch nochmal über den Begriff des Kommunismus nachdenken. So folgere ich.
"Ungarn ist eine sehr junge Demokratie, die sich in einer Phase der Gefährdung befindet, wie wir sie in den sechzigern und siebzigern, aber auch heute noch, erlebten und partziell immer noch erleben müssen".
sie vertun sich da komplett in den jahrzenten! wenn dann befindet sich ungarn in einer phase, wie wir sie in den 20ern und anfang 1930 erleben mussten. ich habe zumindest noch nichts davon gehört, das im deutschland der 70er jahre taxis herumgefahren sind, die mittels aufklebern verkünden keine jüdischen mitbürger zu transportieren!
Mag sein. Aber immerhin lebe ich in einer statt, in der noch vor kurzem ein Rabbiner auf der Straße verprügelt wurde, und in einem Europa, wo vor nicht all zu langer Zeit in Frankreich jüdische Schulkinder erschossen wurden. Mag sein, dass man hier nicht mehr so blöd ist, solche Aufkleber auf Taxis zukleben. Der Grund könnte aber auch darin liegen, dass es schlicht und ergreifend verboten ist. Dieses Verbot sagt aber nur bedingt etwas darüber aus, wie lebendig der Antisemitismus auch bei uns ist. Zumindest bedarf es eines Verbots.
@Inga
Sie wollen also über den "Kommunismus" nachdenken lassen. Fein. Und da wundert es sie, dass andernorts über den "Nationalismus" nachgedacht wird? Seltsam.
Aber beide Gedankenwege haben eines gemeinsam, ein Misstrauen gegen über der Demokratie und ihren Möglichkeiten, und ein suchen nach Lösungen in radikalen Ideen.
Mir persönlich wäre es lieber, diese Ideen würden auf der Bühne und in der Kunst verhandelt als im Parlament.
@48 Mahlerhorst?
Verschiedene Theaterästhetiken sollten nicht im K.o.-System verhandelt werden. Das eine schließt das andere nicht aus. Ähnlich der verschiedenartigen Religionen sollte man seinen ästhetischen und auch politischen Widersachern möglichst viel Raum geben ihre Kultur und Kunst zum Ausdruck zu bringen.
Dies mag idealistisch klingen, mir erscheint es eher tugendhaft.
Und warum wollen Sie die Kunst vom Leben und vom öffentlichen Raum (bzw. der Politik) trennen? Für mich gehört das zusammen. Die Kunst kann gar nicht anders als sich mit gefährlichen Entwicklungen im Bereich der Politik auseinanderzusetzen bzw. Formen für die Zerstörung von sozialen Strukturen und humanistischen Werten zu finden. Veränderung kann gar nicht anders stattfinden als über ein Zusammenspiel von politischem Widerstand, Wissenschaft und Kunst.
für mich ist ab jetzt Weihnachten. Auch halte ich die Kunst nicht für einen "ästhetischen Einsatzraum", sondern eher für ein menschliches Grundbedürfniss.
Ich denke, ich liege nicht vollkommen falsch, wenn ich sie für ein wenig verbildet halte. Wie dem auch immer sei. Die Kunst zu instrumentalsieren und ihre Funktionen zuzuorden, so eine Haltun bereitet mir Kummer. Es wäre so, als würde ich Essen und Trinken einem Prozess der politischen Veränderung unterordnen.
In diesem Sinne wünsche ich ihnen frohe Feiertage und einen guten Rutsch.
"Da gibt es einen Oberbürgermeister, der gerade, nicht ganz zu Unrecht, zum peinlichsten Berliner der Stadt gewählt wurde, und der hartnäckig an einem Intendanten am BE festhält, der seine traditionell verstaubte Theaterästhetik gegen das moderne und junge Regie- und Diskurstheater auf geradezu fatale Art verteidigt."
Inwiefern war/ist diese Art fatal? Wenn es im Bereich der Kunst UND der Politik nicht bei der geistigen Auseinandersetzung bleibt, dann können wir uns im Grunde gleich eins "immer mitten in die Fresse rein" geben. Und wenn die "Pop-Beauftragten der SPD", wie ich einmal hörte, dabei auch noch mit im Spiel waren, dann verstehe ich persönlich nicht mehr, was an solch einem Vorgehen noch demokratisch sein soll.
"Ich denke an den Zusammenschluss verschiedenster Gruppen an der gesellschaftlichen Basis, [...] welche sich gemeinsam gegen die Ästhetisierung der Politik [...] wenden. [...] Und warum wollen Sie die Kunst von [...] der Politik trennen? Für mich gehört das zusammen"
"Die Kunst kann gar nicht anders als [...] Formen für die Zerstörung von [...] humanistischen Werten zu finden."
Fatal, in dem Sinne, als das Herr Peymann sich selber zu einem der Urheber des Regietheaters zählen muss.
Jetzt hören sie doch mal auf.
Das Theater, dass Herr Attila Vidnyanszky momentan in Debrecen leitet, liegt unweit von Oradea, wo ich das erste Mal nach der Revolution in Rumänien osteuropäisches Theater vor Ort sah. In Temesvar arbeitete ich mit Künstlern aus der deutschen und der ungarischen Minderheit zusammen. Diese Menschen haben unter dem damaligen Kommunismus nicht unerheblich gelitten und sie haben zum Teil eine Menge riskiert, um sich dieser Staatsform zu entledigen.
Die Geschichte dieser Region war, was die Zugehörigkeit zu veschiedenen Nationen betrifft, sehr wechselhaft. Aus diesen Wechselfällen und der Unterdrückung nationaler Empfindungen während der Sowjetzeit entstand nach der Wende eine spezielles Bedürfniss nach einer nationalen Identität, dass sich in Ungarn nun extrem auslebt. Das kann gefährlich sein, ist aber zu Teilen auch nach vollziehbar.
Und nun kommen sie daher und scheinen Viktor Orban und Attila Vidnyanszky gerne in einem Exit Programm der BRD unterbringen zu wollen; und zugleich wollen sie ihnen, einem gewählten Staatsoberhaupt und einem Intendanten eines Nationaltheaters, einen irgendwie "Kommunismus von unten" aufschwatzen, eine Staatsform, in der sie, im Gegensatz zu diesen beiden Herren, keinerlei Erfahrungen haben, und dass sie vage als basisdemokratische beschreiben.
Ich denke, die Menschen, über die sie da verfügen wollen, haben genug von solchen Experimenten. Spüren sie nicht, wie vermessen ihre Äußerungen sind.
Schlafen sie sich einmal richtig aus. Schalten sie für ein paar Tage das Internet ab und überlegen sie sich, ob sie wirklich kompetent genug sind, einem Mitglied der ungarischen Minderheit aus Kiew und dem regierenden Staatsoberhaupt Ungarns eine neue "alte" Staatsform vorzuschlagen.
Gute Nacht.
Herzlichst
p.z.
Eine ungeschickte Formulierung der Redaktion.
Eine ungeschickte Formulierung, die aber überall in den abschreibenden Tageszeitungen (beispielsweise LVZ) genauso ungeschickt übernommen wird. Was also ist die eigene Homosexualität von Robert Alföldi nun wirklich?
falls sie es denn wirklich persönlich sind. Die "eigene Homosexualität" des Robert Alföldi, sie ahnen es schon, gibt es an sich nicht. Es gibt nur die Homosexualität als eine Form der Sexualität, die eine sexuelle Praxis unter Männern bezeichnet.
Diese Formulierung ist in diesem Sinne ungeschickt, weil sie nahe legt, es handele sich um die eigene Homosexualität des Herrn Alföldi, die nur ihm zu eigen wäre; zugleich impliziert diese Formulierung natürlich unbewusst, das diese Homosexualität etwas wäre, dass Herrn Alföldi schuldhaft, eben als etwas Eigenes, zugefallen wäre, welches er ja auch jederzeit sein lassen, oder persönlch abstellen könne, um sich selber zu schonen und zu schützen. Einfacher übersetzt. Die eigen Homosexualität als etwas, das man selber verschuldet; oder noch trivialer formuliert: Selbst schuld, wenn du schwul bist.
In diesem Sinne ist diese Formulierung mehr als unglücklich und unterstreicht nochmals unbewusst, dass es irgednwie schon o.K. sei, wenn Herr Alföldi auch wegen seiner sexuellen Vorlieben angegriffen würde.
Dem ist nicht so. Das ist keines falls in Ordnung. Ohne dies Thema noch weiter ausbreiten zu wollen, denn dies hieße auch Herrn Alföldi auf diesen Aspekt seines Lebens zu reduzieren, hoffe ich, dass sie mit dieser Ausführung etwas anfangen können und sie eventuell weiterdenken.
Auch wenn die Diskussion schon so weit fortgeschritten ist, dass ich ihr eigentlich nur vom Ufer nachwinken kann, bewegt mich das Thema doch so weit, dass ich ein, zwei Gedanken beisteuern mag; dabei ist mir der ganze Strang nicht in allen Einzelheiten geläufig, da ich ihn auch gelegentlich überflogen-gescrollt habe (irgendwo stand der schöne Satz, dass man auf Bildschirmen eh weniger Texte liest als Bilder betrachtet) - sollte ich also jemanden ungenau zitieren oder verkürzt bedenken, bitte ich vorneweg um Entschuldigung.
Bildet das, was der Kunstszene widerfährt, im Kleinen die Lage einer Gesellschaft im Ganzen ab? Der Gedanke ist nicht neu, aber ich finde, er ist hilfreich - sowohl was die ungarische als auch was die bundesrepublikanische Sicht anbetrifft. Dabei soll nicht überreizt auf Momente hingewiesen werden, dass im Ungarische Parlament ein Mitglied der Regierungspartei eine Sonderregistrierung für jüdische Angeordnete anregt. Die Empörung, dass dies in einem EU-Land möglich sei, ist eine ein wenig selbstgefällige Idealisierung der EU, in welcher viele bizarre Politexzesse geschehen. Trotzdem sind Minderheiten, oder "Außenseiter", um Hans Mayer aufzugreifen, das menschliche Maß, an dem eine Gesellschaft ihren eigenen Bestand, ihre Selbstkultur ausrichtet. Jeder kann schnell Außenseiter werden und nur eine Gesellschaft, die keinen zwingt, Angst davor und also Aggression dagegen zu entwickeln, ist meiner Meinung nach stabil.
Peter Nadas beschrieb das Klima gegenüber den bald klassischen Minderheiten in Ungarn, den Juden, den Homosexuellen, vor Ort auch den Sinti und Roma, als zunehmend aggressiv. Seine heutige Bestürzung darüber erinnerte mich an die Verwunderung Horkheimers, dass gerade die Arbeiterschicht Weimars vom Typus des autoritären Charakters dominiert wurde und keineswegs vom proletarischen Ideal.
Die Regierung Orhan ist demokratisch gewählt worden. Dass aus Demokratien Tyrannen hervorgehen, notierte bereits Platon. Die Extremthese, dass jede liberale Gesellschaft beizeiten in eine repressive umschlägt, muss nicht geteilt werden, sollte aber uns, in der BRD, nicht völlig kalt lassen. Die Regierung Orhan setzt zunächst einmal Symbole; zum Beispiel die Streichung des Wortes Republik aus dem Staatsnamen Ungarn sowie die explizite Anbindung der Verfassung vom Januar 2012 an die Stefanskrone, Gott, Nationalstolz, Treue, Familie.
Gewiss gibt es konstitutionelle Monarchien in Europa. Wenn eine Republik aber auf ein monarchisches Symbol rückgreift, findet eine ungesunde, weil unterbewusste Verquickung statt, die die Eindeutigkeit der Staatsform verwischt und beinahe mystische Grauzonen schafft, in denen Einzelpersonen die Sehnsucht nach dem Gekrönten fördern und erfüllen.
Leider geht die Starkbetonung der Familie im monotheistischen Kontext grundsätzlich zulasten der Homosexuellen wie der Frauen, die Betonung des Christentums zulasten der Juden, der Muslime.
Dies alles sind zunächst Symbole. Die Wechselwirkung zwischen Symbolen, Sprache, Denken und damit Verhalten ist indes ebenfalls keine neue Erkenntnis. Wichtig ist aber doch auch, dass gerade die Kunstszene wie auch die Medien eine besondere Rolle bei der Wahrnehmung und Wertung von Symbolen haben. Wenn eine Regierung entsprechende Symbole setzt, auf der anderen Seite die Gelder der "freien Theaterszene" eindampft, eine Medienkontrolle jenseits des Parlaments einrichtet, dann verschiebt sie die Parameter für das angstfreie Leben ihrer Minderheiten.
"Die" Bundesrepublik reagiert in meinen Augen auf all dies verwunderlich. Die Mediengesetze wurden zwar noch thematisiert, auch in der Großpresse und den Generalnachrichten - und wenn ich böse sein will, verweise ich auf Paul Virilio, der die Medien als Kratos ansieht, der sich selbst verteidigt, um seiner selbst willen. Das Zdf berichtet vom Tode Jack Klugmanns, der "im Zdf bekannt geworden" sei, aber nichts zum Absetzung von Aföldi. Damit pflegt auch, ich polemisiere, unser Öffentlicher Rundfunk seine Stefanskrone. Die bundesrepublikanischen Medien sind in meiner Wahrnehmung sehr vornehm, was "Außenseiter" anbetrifft - speziell Homosexuelle.
Ich denke gelegentlich, eine juristische Änderung braucht drei Generationen, um in den Köpfen anzulangen. Das Frauenwahlrecht datiert in den Deutschland auf 1918, und so langsam wird das was (so langsam!); die Aufhebung des § 175 StGb erfolgte in der BRD 1994. In der Praxis: "Homosexualität begründet erhebliche Zweifel an der Eignung und schließt eine Verwendung in solchen Funktionen aus, die an Führung, Erziehung und Ausbildung von Soldaten gebunden ist." Zitat - Rudolf Scharping, SPD. Aber dies soll nicht das Hauptthema werden. Nur sind die Deutschen sowohl auf dem rechten wie auf dem (pardon) rosa Auge gelegentlich eben blind.
Apropos Auge - oben stach mir in meins der Gedanke eines rechtsradikalen Theaterintendanten, um die Gesellschaft abzubilden, beziehungsweise der Gedanke, sowohl Rechte wie auch Kriminelle können Kunst schaffen. Der Gedanke ist anregend, denn er führt, denke ich, zur Frage, was wir diskutieren - Kunst oder Personen (zwischen Kriminellen und Rechten würde ich allein deshalb indes im Vorfeld trennen, weil Kriminalität auch bisweilen ein Stigma war, das bewusst verteilt wurde; man nimmt gerne Genet, der aber zunächst zu Haft wegen Desertion verurteilt wurde). Ich denke, dass Kunst ein Gegenteil zu Angst ist, dass aber politischer oder religiöser Radikalismus ohne Angst nicht denkbar ist. Ein Beispiel ist sicherlich Richard Wagner, der eine tief antisemtische Schrift veröffentlichte, aber mit Kundry eine große Jüdin auf die Bühne brachte. Oder wie Stefen Fry sagte: er, als Jude und Homosexueller, lasse sich Wagner nicht von Hitler zerstören, um des Guten wegen, das in der Musik Wagners sei.
Ich sage aber auch, dass ich Herrn Baucks nicht so verstehe, dass er, sozusagen aus der Von Papen-Warte, einen Rechtsradikalen als Intendanten für annehmbar, weil nützlich hielte. Quasi der Gestus des Zoobesuchers, der ein gefährliches Tier für reizvoll hält. Er macht damit zutreffend darauf aufmerksam, dass die BRD nicht das "reinkünstlerische" Argument und das Recht zum demokratischen Hochmut auf ihrer Seite hat, wie hierzulande Intendanten gewählt werden... sie werden indes, nach meinem Empfinden, selten politisch, und grundsätzlich ökonomisch bestimmt und gehalten... wenngleich auch hier jedwede Pauschalisierung unfair ist.
Ein wenig durchzieht, abschließend, gesagt, nach meinem Empfinden eine seltsame Stimmung diesen Strang, der allerdings sich unter Künstlern und Intellektuellen (wieder einmal) durchsetzt, eine Art Lust am Untergang, eine Form von Kulturpessimismus, der sehr herrschend war zwischen Nietzsche und Gehlen, von Spengler bis Adorno. Ein Gefühl, dass zum Beispiel das Theater seine Funktionen verspielt habe, dass eine spätkapitalistische Dekadenz uns im weichen Klammergriff halte, dass wir staunend und etwas müde der Kraft der zerstörerischen, radikalen Kräfte gegenüber stehen, denen wir eine morbide Attraktivität gar nicht absprechen, weil sie noch einen Vitalismus besitzen, den wir gar nicht im westlichen Googleversum für möglich halten. In diesen Topf des fin-de-siecles werfen wir Berlusconi und Orhan, Facebook und Islam, die Besetzungsspielereien des subventionierten Kulturbetriebes und den Armutsbericht der Bundesregierung. Um zum Kommunismus - das erinnert mich dann doch auch an die Idealisierung der Sowjetunion "unter Sartre", wenn die Flapsigkeit gestattet ist. Allerdings - egal wie tief wir im Pfühl des Wohlstands sitzen - man muss kein Huhn sein, um ein faules Ei zu erkennen, und Herrn Orhan darf man, auch wenn gewählt, kritisch ansehen - wenn man denn nicht vergisst, den guten Maßstab auch zu Hause anzuwenden.
Im März organisieren die Bekannten aus Ungarn, die ich gewinnen durfte, ein showcase der Theater, independents and non-independents.
Ich hoffe mich frei machen zu können dafür.
Ginge es der Vernunft und dem Verstand nach gäbe es natürlich keine "Rechten" mehr. Aber so ist es nun mal eben nicht. Und selbstverständlich wäre eien "rechter Intendant" alles andere als ein "idealer Intendant". Nur fürchte ich, den Intendanten, wie sie ihn beschreiben, mit einer Sammlungsaufgabe gibt es nicht wirklich. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mich grundsätzlich gegen ein Intendantensystem wehre, wie wir es heute immer noch vorfinden, kann eine Abbildung des gesamten Spektrums nur dann erfolgen, wenn man viele Häuser bewusst mit Leitern aller möglichen Coleur besetzt, denn jede gesellschaftliche Gruppe hat das Recht sich einen subventionierten kulturellen Raum zu schaffen.
Ich muss nach über dreißig Jahren erkennen, dass jenes Prinzip "Nie wieder Krieg", "Nie wieder Faschismus", wie es mir von Kindesbein an nahegelgt wurde sowohl für die BRD, wie auch für die EU gescheitert ist. Das Prinzip des Verhinderns mit all seinen Vermeidungsstrategien, wie schon gesagt, gescheitert ist.
Stattdessen geht es wohl eher darum, eine belastbare Demokratie zu kreieren, die auch einen kulturelen Raum von Rechts auszuhalten im Stande ist. Dies sagt nichts aus über meine persönlichen Vorlieben, vielmehr darüber, wie eine neue Denkrichtung für die Zukunft jenseits jeder Wohlstandsäätigung und Lust am Untergang aussehen könnte.
Und was meinen idealen Intendanten angeht... nun, ich gestatte mir einen kleinen Descartes - was vorstellbar ist, ist auch möglich.
man weiß nicht, was damit gemeint ist.
Es ist wie so oft hier in diesen threads eine Formulierung, die Aufmerksamkeit erzeugen soll, oder vielleicht würde martin baucks sagen "ein Gedanke, der auch das Gefährliche mitdenkt".
Ignorieren Sie sowas.
Es ist gerade zu mustergültig, wie sie reagieren. Herr Steckel wirft eine Frage in die imaginäre Runde, um darzustellen, wie unerklärbar, unverständlich und abwägig eine Position sei, und sie schlagen tatsächlich Ignoranz vor, der denkbar schlechteste und unterpriviligierteste Weg mit diesem Konflikt umzugehen. Ist dies die Antwort auf ihre Frage, Herr Steckel: Ignoranz?! Wollen sie eine solche Stimmung erzielen?
Da ist mir die Antwort von Inga doch viel näher, für die ich mich hiermit bedanken möchte.
@69
Was vorstellbar ist, ist auch möglich. Mag sein. Jedoch glaube ich nicht, dass ein gemäßigter oder liberaler oder linker Intendant einer rechtskonservativen Kultur Raum geben würde. Jede Haltung benötigt ihre eigen künstlerische Vertretung, um sich frei zu entfalten, auch wenn dieser Weg schmerzhaft wäre.
Jetzt wurde die Diskussion ausgeweitet und anhand der Polen Orhan (rechts) und Aföldi (Außenseiter) erörtert man die gebotenen Haltungen zu Antihumanismus in der BRD, richtig?
"Belastbare Demokratie" ist in meinen Augen kein fataler Begriff; die Konstruktion der BRD und deren juristische Pflege ist (etwas gebetsmühlenhaft) von der "unbelastbaren Demokratie" Weimars geprägt. Ich möchte zwischen Aushalten und Gutheißen trennen. Hierbei erinnere ich mich an zwei Schauspieler; der eine ärgerte sich, einen ignorante Bürokraten spielen zu müssen, weil das ihm fremd sei; der andere erwiderte (für mich logisch), er würde auch einen SS-Schergen überzeugend verkörpern, ohne privat diese Überzeugung zu teilen.
Ist es nicht das Paradoxon, dass eine Gesellschaft ihre Mehrheit nur so gut schützt, wie sie ihre Minderheiten schützt? Hat der Dialog nicht erodierende Wirkung auf jene, die an sich nicht dialogbereit sind? Der römische Diktator wurde der Effizienz halber für kurze Zeit ermächtigt; die Demokratie ist auf die Geduld der Freiheiten angewiesen, und zu diesem Behuf braucht sie eine Art Sitzfleisch - auch wenn dieses behäbig, fett, bequem etc wirkt. Dass man es sich darauf nicht zu gemütlich macht, dafür sind die Theater mithin da.
Auf Ungarn angewendet - so seltsam es klingt, hier greift teilweise der große Tanker der Eu-Bürokratie. Auf unserer Ebene - Ingas Heiner Müller-Zitat aus Nr. 2 - ist wichtig, Interesse zu zeigen und nicht Gleichgültigkeit. Ein Festival für die ungarischen Theater wäre zum Beispiel ein Punkt. Es wird großer Aufwand betrieben - der wertvoll ist, aber in anderem Zusammenhang - was türkisches Theater in Deutschland betrifft. Gleiches für Ungarn, das man nicht, bloß weil es in der EU ist, quasidemokratisch abhaken darf.
Ein wenig, Inga, putzig finde ich "Zellen der bürgerlichen Mitte"... ich bekenne, die finde ich nicht unsympathisch, hoffe aber inständig, dass ich (und zwar 2012, nicht in einem hypothetischen 1933) nicht viel mit Nationalisten und Neofaschisten am gedanklichen Hut habe.
ich frage mich, ob man nicht, statt einen Vergleich zu 33 zu ziehen, mal auf Ivan Nagel und seine Intendanz in Hamburg reflektieren sollte? Oder den Weggangs Zadeks nach "Andy"?
Aber der Begriff "rechtskonservativ" ist durch die Partei der Republikaner vorgeprägt - und wir würden ja auch mit Begriffen wie völkisch, rassisch etc. umsichtiger umgehen. Denn von da ab strahlt es in den Neofaschismus, die religiöse Rechte, jene also, die mythische, palingenetische Ideen pflegen, die sich jedem Dialog entziehen... Und wenn zur Kultur eben das Zulassen von vielem gehört, dann würde eine Denkart, die dies eben nicht will, die eben nicht vieles zulassen, sondern vieles unterbinden möchte, nicht mehr dem Kulturbegriff unterfallen. Kurz gesagt, rechtskonservative Kultur fühlt sich für mich wie ein Widerspruch in sich an.
ich bin sehr dankbar das sie "Gustaf" ins Spiel bringen, denn er vertritt wohl am deutlichsten, dass es nicht zwingend einen Zusammenhang zwischen "Homosexualität" und moderner Theaterästhetik gibt, und man von daher rechtskonservativen Auffassungen dieser Art nicht zuviele eigene Hirnwendungen hinterlegen sollte.
@77
Ja, sie haben Recht: Ein äußerst schmerzhafter Weg den Freunden der Unkultur Raum zu geben. Aber notwendig, um sie zu relativieren. Denn innerhalb einer funktionierenden EU wären sie nur eine Tonart in einem riesigen Orchester.
sie sollten mir vorsichtig und mit Respekt begegnen, denn gerade für sie könnte ich ein wertvoller Mensch sein; war ich doch mal als ein "Arbeiterkind" Ziel ihrer politischen Hoffnungen, nehme ich an. Ich habe, aus einer Bergarbeitersiedlung kommend, einen großen Teil der Theaterlandschaft absolviert, im Osten, wie im Westen. Dies sollten sie einmal zur Kenntniss nehmen.
Es liegt mir wirklich nicht viel daran mich ihrer rückständigen Empörungskultur anzuschließen. Sie höhnen, sie leiden und sie verstehen immer weniger, weil sie es gewohnt sind in politischen Parametern zu denken, die ausgedient haben.
Auch sie haben in Bochum viel Toleranz verbraucht, beispielsweise mit einer Inszenierung der "Winterschlacht" von Becher. Gestehen sie diese Toleranz auch anderen zu.
So sehr ich ihre Nibelungen-Inszenierung wegen ihrer Ökonomie der Zeit bewunderte, ich hatte schon hin und wieder das Gefühl in einer sehr "rechtskonservativen" Veranstaltung zu sitzen.
Sie haben radikale Positionen bezogen und mich als Zuschauer damit strapaziert. Glauben sie mir, ich werde auch Aufführungen von Atilla Vidnyanszky unbeschadet überstehen.
Ich würde zudem gern eine weitere Frage stellen: Wie kommt es eigentlich, dass es hier plötzlich sofort wieder um das Thema "Judentum" versus "Christentum" versus "Islam" geht? Was hat das mit dem Thema staatlicher Rechtstendenzen bzw. der neuen Intendanz des ungarischen Nationaltheaters zu tun?
In meiner Wahrnehmung sollte man zunächst einmal die Sphären der Kunst, der Politik und vor allem auch des jeweiligen historischen Kontexts voneinander differenzieren, um sie dann potentiell wieder zusammendenken zu können.
Ihr habt auch Besseres zu tun!
Liebe Inga, was vermixen Sie denn da miteinander? Dürfte ich erfahren, wen Sie da wieder zitieren, oder entstammt das mal Ihrem eigenen Hirn? Und was haben wir tatsächlich aus dem Nationalsozialismus gelernt, wenn die „Judenfrage" und die Integration von rechtsradikalen Randgruppen in einem Atemzuge genannt werden. Auch wenn ich das u.U. missverstehe, wenn das zu einer belastbaren Demokratie gehört, möchte ich doch lieber nicht damit belastet werden. „I would prefer not to" oder besser „Nie wieder!"
Frohes neues Jahr!
WO HABEN SIE SICH EIGENTLICH QWALIFIZIERT!!!
Frohes neues Jahr!
also ich sehe ihrer kompletten debatte ein riesiges problem.
in ungarn herrschen gefährliche zustände, und zwar weil die regierung dabei ist, demokratische strukturen durch autoritäre und nationalistische zu ersetzen.(und nein, dafür habe ich keinerlei verständnis, meine freunde in ungarn müssen um ihre körperliche unversehrtheit fürchten!)
dazu gehört die systematische umstrukturierung des kulturbetriebs, hier werden in alle positionen linientreue rechtsradikale eingesetzt und andersdenkende abgesetzt. wie sie in diesem kontext zu dem einfall kommen, eine art naziquote für deutsche kulturbetriebe einzurichten, kann ich nicht nachvollziehen.
rechtsradikales gedankengut bedeutet rassistisches, antisemitisches, menschenverachtendes gedankengut. ich versteh daher beim besten willen auch nicht, wie manche menschen bei diesem thema immer wieder ohne jeden zusammenhang den bogen zum sogenannten linksextremismus kriegen. das eine hat mir dem anderen einfach nichts zu tun.
Guten Morgen!
Zunächst einmal möchte ich diesen Artikel in die Runde werfen, da ich erhebliche Zweifel habe, ob beispielsweise die Pussy Riots solidarisch mit Herrn Alföldi sind.
Dann bitte ich doch herzlich die Redaktion darum, keine Kommentare unter meinem Namen zu veröffentlichen, die nicht von mir stammen, denn ich bin eine bürgerliche Person und habe Rechte.
Auf wunderliche Weise bildet sich hier ja nun eben dieses Spektrum ab, von dem ich rede. Belastbar ist diese Debatte natürlich nicht, weil die Redaktion nicht in der Lage ist einen seriösen Rahmen zu organisieren. Aber bevor ich mit meinem Anwalt telefoniere, wünsche ich allen nochmals
einen guten Rutsch und viel Entspannung
(Lieber Martin Baucks, nachdem Sie uns mitgeteilt haben, welche Kommentare nicht von Ihnen stammen, haben wir diese beiden Beiträge markiert, indem wir Ihren Namen in Anführungszeichen gesetzt haben. Mit freundlichen Grüßen, die Redaktion)
Nur mal zur Verständigung. Derart mit dem Begriff "Judenfrage" zu hantieren, ist eine Mischung aus Einfalt und Hochmut, den ich nicht mehr nur schwer ertrage. Der ganze akademische Jargon, dieses Stroh, das in Seminaren gedroschen wird, von wegen "ergebnisoffener Diskurs" (was soll das überhaupt sein, mal vom Gegenteil her gedacht?) macht es für mich noch ärgerlicher. Da kommt ein absolut nicht neutraler Begriff unter den akademische Neutralität und Durchdachtheit simulierenden Phrasen wie ein Trojaner daher.
Beantwortung der "Judenfrage" - völlig egal, ob Marx den Begriff auch verwendet hat, sollte das das Feigenblatt sein. Viktor Klemperer würde im Kreis kotzen, wie da ein Wort salonfähig verwendet wird, das eine Gruppe von Menschen ihrer selbst wegen als Problemstellung aufwirft. Denn daher kommt "Judenfrage", von Nicht-Juden über Juden, und so wurde "Judenfrage" auch von den Nazis konsequent zu Ende formuliert - und da sollte doch jemand, der Kostbarkeiten wie "freiheitlicher Jedermannstaat" einstreut, auch mal auf die semantische Nähe von Beantwortung, Lösung, Endlösung lauschen. Ohja, Heidegger, Schmidt, Jünger und Sorel formulieren so feinsinnig, dass sie sich imprägniert fühlen gegen jeden braunen Schmutz. Aber am Anfang war halt das Wort, IMHO.
Und ja, ich kenne das, wenn Schwule etwas stört, wirft man ihnen vor, sie seien Zicken, wenn sich Juden an etwas stören, redet man von Auschwitzkeule, und wenn man im "Diskurs" etwas nicht hinnehmbar findet, dann ist man gleich p.c. So macht man den Leuten das Recht auf ihre Person hintenrum wieder zum Vorwurf. Stellt euch doch nicht so an, ist doch ergebnisoffen, man muss doch provozieren dürfen etc. Aber etwa am Theater gilt meistens, wer vorsätzlich provozieren will, ist in 99 von 100 Fällen selber bestenfalls spießig.
Was danach kommt - als heiterer Rundumschlag - ist so vage, dass es schon weh tut. Sollte gemeint sein, dass Offiziere die Reihen des parlamentarischen Rates geprägt haben, gute Nacht, Geschichtsbuch. Was soll heißen, Antisemitismus wurde amtlich verboten? Niemand sagt, dass man Antisemitismus verbieten kann, die Gedanken sind im guten wie im bösen frei. Aber gesetzlich (nicht amtlich) sind Äußerungen strafbar, die den Tatbestand des § 130 StGB erfüllen. Auch wenn das als bedeutet, dem Nachbarn hereinzureden. Auch wenn diese Art, für eine freiheitliche Grundordnung Sorge tragen zu wollen, für Sie Blödsinn ist. Ja, Gesetze spiegeln auch die Haltung einer Gesellschaft wieder, beeinflussen sie, weil sie auch ethische Signale setzen, weil sie auch die Sprachregelung einer Gesellschaft prägen, noch mal Gruß an Viktor Klemperer und L.T.I. Das ist übrigens auch ein Aspekt des eigentlichen Themas, nämlich Ungarns: es bedeutet nämlich etwas, wenn in einem Parlament, der Volksvertretung, Juden- und Schwulenfragen aufgeworfen werden!
Nämlich, dass ein sprachliches, und damit gedankliches Klima sich verändert.
Herr Baucks nimmt es auf sich, eine undankbare Position zu vertreten, und ich erinnere, dass er selber es nicht als sympathisch ausweist. Aber er tut es nicht derartig gewissen- und geschmacklos (meine Meinung).
Und vielleicht sollte man klären, wohin sich die Diskussion noch bewegen kann. Die Situation Ungarn hat 91, für mich, noch mal exakt zusammengefasst - systematische Umstrukturierung des Kulturbetriebs. Vidnyanszky, so wie ich meine ungarischen bekannten verstehe, ist jedenfalls kein kritischer Theaterleiter, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, sondern einer der von der Bühne aus permanente Entwarnung gibt und gute Laune zum bösen Spiel macht. Gerne können wir diskutieren, wo da die Parallelen in der BRD sind, dann zeichnen wir halt "systematische Umstrukturierung" in der BRD nach - da finden wir genug Stoff.
Ich meinte @71, 90. Nicht seinen Beitrag.
Von einer Entschuldigung ab will ich allerdings auch an der Stelle schon mal alles Gute für die Spielzeit 2012 wünschen.
Ungarn zurückgekommen ist, finde ich ganz löblich, und ich denke auch, ein Stückel weit davon zu verstehen, warum er hier so vehement
den Kontrast Ungarn-Theatersystem Deutschlands aufmacht, obschon mir dann im weiteren Verlauf wieder das Eine oder Andere nicht aufgehen will, ja sogar recht "aufgesetzt" mir erscheint. Seitdem flirrt und flimmert, changiert und chargiert es nur so in dieser "Debatte", daß mir neuerlich schwindlig wird.
Wäre ich ein Fidesz-Mann würde ich versuchen, stolz darauf zu verweisen, daß die ungarischen Verhältnisse geeignet erscheinen, in Deutschland einen Diskurs über den Aufbau einer belastbaren Demokratie anzustoßen ! Wäre ich ein rechter Schelm, würde ich mich zunächst vergnügt darüber auslassen, wie an dieser Stelle ganz herrlich offen darüber diskutiert wird, wie man nun versucht ist, "uns" einzubinden, auf daß uns der Elan ausgehe, und daß es jetzt schon wieder herrlich reizvoll ist, die Ironie dauerhaft gesichert auf seiner Seite wissend, denn wer sagt, daß "wir" auf diesen diskursiven Spielwiesen mittun wollen, sich tatsächlich auf diese geschickte Falle einzulassen: "Man sagt, wir suchen Staub, Moder, Untergang, also: da die Spielregeln, wir sollen uns abnutzen, nur zu !" Und weiter würde ich als "rechter Schelm" erste Hochrechnungen aus den Postings entnehmen, warum diesen nicht als Wahl begreifen ?, und folgern:"Es gibt offensichtlich einen Repräsentanten-Mangel auf rechtskonservativer Seite, aber Herr Steckel ist Herrn Baucks schon einmal geradeebenso vorgekommen, und der Stein des Anstoßes in Berlin, wer wüßte es nicht, ist das BE: also, erste Hochrechnung "Institut Baucks und Egalitaristen", Herr Steckel geht als Intendant ans BE, so würde auch der (schwule) Bürgermeister nicht in den Verdacht geraten, immer nur neue Strukturen zwanghaft zu erstreben (schon von geschlechtswegen und so)." Wie schön, daß ich kein "rechter Schelm" bin und kein Fidesz-Mann, nicht wahr ? Das ist hier doch eh niemand, oder ? Und an den Schauspiel- und Regieschulen doch auch nicht ??! Geht da ein "rechter Mitstudierender" (von einer Frau garnicht erst zu reden) überhaupt an ??? Komisch, daß hier Praktiker diskutieren und so wenig von der Praxis, und irgendwo beginnt diese schon in der Ausbildung, die Rede ist ! Hat nicht die "Eisvogel"-Diskussion gut und gerne, sie ist diesem Thread verwandt !, gezeigt, daß derlei Debatten sehr gut über einen ausgewogenen Spielplan angeregt werden können, ohne sogleich wieder teure (!) und im Sande verlaufende Institutionen-Debatten anzustoßen, wie "verbildet" kommt das erst daher ?!! Soll jetzt die Weimarer-Repräsentationsbreite per Wahlen im Deutschen Stadttheatersystem etabliert werden: so richtig mit Parteibuch-Intendanten und politischem Prinzip bei der Kunstausübung ?? Nein Danke !! Und soll jetzt, zB. in Rostock sollen Rechte ja besonders stark sein, die "rechte (Kultur-) Modellstadt" daher: Frei nach dem Motto: "95 % der Berliner sind dafür, daß so ein Theater in Rostock oder Thüringen oder Sachsen-Anhalt "entsteht", da es dort "offenen Bedarf am rechten Rand" gibt ?? Puh, da geht es mit allerlei Fragen auf ins Neue !!.
Daran anschließen möchte ich die philosophische Frage, wer oder was dieses unter meinem Namen nur vermeintlich kohärente "Ich" eigentlich ist. Unter verändernden Kontexten verändert sich auch das Ich. Oder auch nicht. Kommt drauf an. Möglicherweise heißt (bürgerliche) Individualität ja auch nichts weiter als Konformität. Konformität mit der Masse.
Und da ich ja bekannt bin für meine Zitate, möchte ich noch ein weiteres hinzufügen, mit welchem ich unterstützen möchte, dass "wir" mit dem Begriff der "Moral" in vielen historisch-politischen wie ökonomischen Fragen tatsächlich nicht weiterkommen.
"Sankt Oswald verabscheute, jetzt endlich wurde ihm das bewußt, schlankweg die gesamte angeblich so hochverfeinerte, in Wahrheit rohe, abgeschmackte Manier, in der Leute wie diese Raphaela und dieser Eon ihre dürren Mores so zurechtbogen, daß sie sich vor ihrer historischen wie politischen Verantwortung verstecken konnten." (Dietmar Dath, "Die Abschaffung der Arten", was für ein be-zeichnender Titel)
genau, Herr Zarthäuser, gute Idee: Wir schicken sie alle in den "Eisvogel" nach Potsdam: Baucks, Steckel, Inga, alle zusammen. Das wird lustig. Der Regisseur in Potsdam wurde ja auch zum Faschisten erklärt, weil er sich nicht genug vom Roman distanzierte. Oder wir fragen gleich Tellkamp, ob er das BE übernimmt, dann haben wir doch einen schönen rechten Rand.
http://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelbe-guenstlingswirtschaft-roesler-und-altmaier-verteilen-lukrative-posten-an-parteifreunde-1.1561680
"Schizo-Wagner
Der Dirigent und Wagner-Verehrer Christian Thielemann trennt strikt zwischen Richard Wagners Musik und dessen antisemitischen Schriften. Der Musiker Wagner und der Antisemit Wagner seien zwei verschiedene Menschen, sagte der 53jährige der B.Z. (Samstagausgabe), »die kennen sich überhaupt nicht!« (dapd/jW)"
(...)
Das Gleiche hat (mutatis mutandis) Winifred Wagner im Syberberg-Film noch 1975 über ihren Freund Adolf Hitler gesagt. Auch sie trennte zwischen Mensch und Werk. Scheint ein beliebtes Rechtfertigungsmuster bei Wagnerianern zu sein.
In Ungarn gibt es zum Beispiel keine Slumbewohner, jedenfalls nicht in der Masse wie in Venezuela. Damit zu vergleichen wären am Ehesten noch die in Ungarn lebenden (und verfolgten, das ist das rechtsgerichtete "Werk" Orbáns) Roma.
Von der hegemonialen Ideologieform in den Slums, der christlichen Pingstbewegung, halte ich persönlich eher wenig. Doch eines hat Chávez, als er an die Macht kam, doch zunächst einmal erreicht, um den Slumbewohnern zu helfen: Mit Unterstützung der Slumbewohner ergriff er die Macht, um gegen die Herrschaft des Kapitals vorzugehen und damit die Lebensbedingungen der Slumbewohner zu verbessern. Ob er und große Teile seiner Familie nun mittlerweile auch längst zu einem unumschränkten Alleinherrscher, auch gegen die Interessen des Gemeinwesens, mutiert ist, das ist hier für mich die offene Frage.
Der gesellschaftliche Kontext in Ungarn dagegen ist in meinen Augen nochmal ein völlig anderer. Orbán, welcher über eine Verfassungsänderung auf autoritaristische und nationalistische Werte (Bezug auf Gott und die ungarische Stephanskorne) setzt, konzentriert alle Macht auf sich: Medien, Justiz usw. Dass das schon von vornherein nicht der Mehrheit der Bevölkerung zugute kommt, ist offensichtlich, oder inwiefern nicht?
Ich glaube, dass Bendit dort etwas sehr einfaches gemacht hat. Er hat die Konfrontation gesucht. Er hat den Konflikt ausgetragen. Erst durch das klare und eindeutige Hervortreten der Interessen von Orban war dies möglich. Es stehen hier zwei klare, nachvollziehbare Stimmen gegeneinander. Das findet man nur noch selten, da westliche Interessensvertreter und Lobbyisten erlernt haben ihre Ziele zu verschleiern und hierzu bieten ihen auch die demokratischen Parlamente manigfaltige Möglichkeiten. Im schlimmsten Falle verlässt man einfach den Saal, wie Frau Merkel.
Von daher ist die Herausbildung klarer Positionen in Kunst und Kultur schon sehr funktionstragend, denn sie führen zu offenen Auseinandersetzungen und nicht zu ihrer Vermeidung.
Man muss Europa eben größer denken in der Kultur. Beispielsweise darf man darauf hoffen, dass das zukünftige Theater von Frau Langhoff eine Antwort sein könnte auf die Intendanz von Attila Vidnyanszky.
Wir brauchen in Europa diese klaren Positionen, um nicht weiterhin in verschleierten Verhältnissen zu denken und zu arbeiten. Wer könnte den Konflikt der Sinti und Roma, den ich zutiefst bedaure, besser beantworten als eventuell das neue Gorki?
Mir geht es, ungeachtet der auch in meinen Augen dringlichen und wichtigen Rede, allein um die Notwendigkeit der Differenzierung. Warum vergleicht Cohn-Bendit Orbán mit Chávez? Hätte Cohn-Bendit da thematisch nicht bei Europa bzw. Ungarn bleiben können? Wie gesagt, in Südamerika sieht die Lage meines Erachtens nochmal wieder ganz anders aus.
Schließlich, auch in Bezug auf das Thema "Europa" kann man auf Probleme und Widersprüche hinweisen. Cohn-Bendit selbst hat diese technokratisch-europäischen Mechanismen benannt, nachdem sich Irland 2008 im Referendum über die Europäische Verfassung "undankbar" gezeigt und mit "Nein" abgestimmt hatte. Zitat Cohn-Bendit: "Die Iren haben von Europa alles bekommen und sind sich dessen nicht bewußt." Noch einmal, ich betone hier nur die Komplexität des Themas/der Sache. Es geht hier nicht um Personen. Cohn-Bendit betont in seiner Rede doch selbst die Wichtigkeit der Basis.
wahrscheinlich haben sie Recht. Cohn-Bendit hat eine "flammende" Rede gehalten. Warum er da sich hat hinreißen lassen zu einem solchen Vergleich, da müsste man ihn schon bitten dies weiter auszuführen.
Venezuela Hat allein durch seine Ölvorkommen eine ganz andere wirtschaftliche Ausgangsposition als Ungarn. Ich denke, Cohn-Bendit nannte ihn als ein weiteres Beispiel eines Populisten, der weite Felder einer Demokratie durch seinen Personenkult lähmt.