Das Vorsprechen - Boris Nikitin versucht an den Münchner Kammerspielen aus der Not(wendigkeit) eine Tugend zu machen
Wer sich zeigt, verbirgt sich
von Sabine Leucht
München, 3. November 2015. Dieser Abend stellt den Kritiker vor ein Problem: Lässt er sich über die Qualitäten einzelner Schauspieler aus oder auch nur darüber, wer von ihnen mit welchem Kniff und welcher Haltung welche Szene wie gestaltet, dann ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass er ihre Aussichten auf ein Engagement beeinflusst. Und er nähme zugleich auch den sechs vermutlichen Notengebern, die bei der Premiere in der Kammer 2 vorne am Bühnenrand saßen, einen Teil ihrer Arbeit ab. Denn der Regisseur Boris Nikitin zeichnet zwar für "Das Vorsprechen" verantwortlich, aber letztlich versteckt sich hinter diesem Etikett genau das: Das Intendantenvorsprechen von Schauspielschülern gegen Ende ihrer Ausbildungszeit. Nur dass die Münchner Kammerspiele in diesem Fall neben den potentiellen Entscheidern über die Zukunft der Bühnen-Youngster auch ganz normales Publikum eingelassen haben. Schön wird das eingangs schriftlich auf den Punkt gebracht: "Heute ist das Publikum gemischt, die Kriterien auch", kann man auf der rückwärtigen Leinwand lesen. Und etwas von den "harten Kriterien" der Profi-Zuschauer, als da sind Haarfarbe und Körpergröße... Okay, das wird vermutlich frech!
Opening Night :: Alles über Laura - Bernhard Mikeskas, Lothar Kittsteins und Alexandra Althoffs neues Projekt am Residenztheater erweist sich als reichlich verkopft
Jugend als Scharnier
von Sabine Leucht
München, 22. Oktober 2015. Die 17-jährige Nancy ist die symbolischste Figur in John Cassavetes' Film "Opening Night". Sie taucht auf, um zu sterben, nicht ohne zuvor ihre grenzenlose Liebe zur großen Schauspielerin Myrtle Gordon an die Frau gebracht zu haben. Sie, die noch die Durchlässigkeit der Jugend hat, diese Gefühle "so nah an der Oberfläche", wird – mit ihrem Autogramm praktisch noch in der Hand – vor Myrtles Augen überfahren. "Wie ein nasser Sack" heißt es in Bernhard Mikeskas und Lothar Kittsteins Bühnenversion des Filmes über eine aus dem Ruder laufende Broadway-Inszenierung, in der Cassavetes und seine Frau Gena Rowlands selbst ein Theaterpaar spielten, das inszenierte Ohrfeigen sich zu echten Verletzungen auswachsen ließ und völliges Von-der-Rolle-Sein zu einem Bühnenerfolg. Der Film über die Allgegenwart des Sich-Verstellens in Beziehungen und über Myrtles Angst, nach einem Erfolg mit der Rolle einer alternden, ungeliebten Frau endgültig ins Menopausen-Fach zu rutschen, hat schon etliche Theaterregisseure inspiriert.
1984 – Christoph Mehler zeigt die Dramatisierung von Orwells Überwachungsstaats-Klassiker durch Robert Icke und Duncan Macmillan in Nürnberg zuerst auf deutsch
Dunkelkammer des Schreckens
von Dieter Stoll
Nürnberg, 17. Oktober 2015. Am Vormittag kamen die Berichte über Vorratsdatenspeicherung aus dem Bundestag, am Abend sah man den Einsatz der Gedankenpolizei auf der Bühne. So nahtlos wie bei der Deutschland-Premiere der neuen Theaterfassung von George Orwells "1984“ spielen Politik und Kunst sonst nicht zusammen. Ein enormer Unterschied bleibt denn doch festzuhalten: Während die Abgeordneten in ihren Reden nur die offiziellen Parteilinien preisgaben, darf der Betrachter dieser 2013 in Nottingham uraufgeführten Dramatisierung wie ein Parasit in den Kopf des Hauptdarstellers schlüpfen.
Regie: Simon Stone
Regie: Leonie Pichler, Martin de Crignis
Regie: Thomas Dannemann
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