Die Übergangsgesellschaft - Lukas Langhoff inszeniert Volker Brauns epochale Tschechow-Adaption als Theater-Absage
Das Unzulängliche, hier wird's Ereignis
von Nikolaus Merck
Berlin, 14. Dezember 2013. Große Erwartungen am Abend. "Die Übergangsgesellschaft" von Volker Braun am Maxim Gorki, heute nur noch Gorki Theater. Vor einem Vierteljahrhundert ein echter Aufreger. 1988, anderthalb Jahre vor dem Exitus der DDR, sprach der Altkommunist und damalige Intendant des Gorki, Albert Hetterle, auf seiner Bühne den Satz: "Die Revolution kann nicht als Diktatur zum Ziel kommen." Erschrockenes Luftanhalten, als aber nix passierte, war klar: Die Bürosozialisten sind am Ende ihrer Kraft.
Tschechow mit DDR-Realien
Damals hieß der Regisseur Thomas Langhoff, nach der Vereinigung für ein Jahrzehnt Intendant des Deutschen Theaters Berlin. Und das Stück, das die "Drei Schwestern" des Anton Tschechow übermalte, wusste mehr vom Übergang vom Sozialismus in den Kapitalismus, als seinem Autor lieb und bewusst war. Dabei hatte es der nachmalige Georg Büchner-Preis-Träger Volker Braun vollgeräumt mit DDR-Realien, die auf den bevorstehenden Untergang verwiesen. Den vermüllt "verkommenen Ufern" bei Strausberg (bei Heiner Müller entliehen), dem beiseite geschobenen Spanien-Kämpfer mit Knastvergangenheit und anarchischem Herzensblut, der Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit der Jungen, den Stasi-Lemuren und volkseigenen Managern mit Kapitalismus- und Terrorträumen. Nur die Moskau-Sehnsucht war noch so frisch wie bei Tschechow, immerhin versuchte Michail Gorbatschow damals gerade die Sowjetunion mit Perestroika- und Glasnost-Tapeten zu verschönern. Le temps perdu.
Ein Vierteljahrhundert später hat sich das Gorki zum "postmigrantischen" Theater gewendet und Thomas-Langhoff-Sohn und Intendantinnen-Gatte Lukas Langhoff inszeniert erneut "Die Übergangsgesellschaft". Die Zuschauer sitzen auf der Bühne. Auf der Empore gegenüber referiert DJ Volkan T. den Werdegang des Techno-Erfinders DJ Overground. Doch einerlei ob uptown geschulte Subloops oder new sensation Acid Sound – die Beats tönen haargenau gleich. Übergang war einmal, das neue Heute ist das alte Gestern. Das Publikum ist ein Gemälde, an dem der Malsaal monatelang gearbeitet hat, sagt der Drei-Schwestern-Bruder Walter, gestern Kombinatschef und heute Regisseur und Unternehmer und Leitwolf in einer Person. Das Parkett wird bevölkert von puppig-mumienhaften Stoffkameraden und einem bunten Trüppchen bevorzugt in Kunstleder-Plastikklamotten. Ballermann meets VEB Textil Palla Glauchau. Erinnerungen an eine Revolution, die aus Stalins Gewehren kam. Erinnerung an ein Stück.
"Putz mir die Schuhe, Anarchist!"
Eine Gorki Tour '91 – die Schauspieler tragen das Schild vor sich her – ist geradewegs ins Jahr 2013 marschiert. Leitwolf Walter (Till Wonka) dirigiert, kommandiert und sekkiert. Mal seine Geliebte, die "hampelnde Schauspielerinnen-Fotze" Mette (Marleen Lohse), die nicht mit ihm "ficken" will, mal den "anarchistischen" Onkel Wilhelm (Falilou Seck), der unter Volcan T.'s vibrierendem Techno rhetorisch stumm die Fäuste ballt und damals in Spanien lieber mit Trotzki als mit Stalin hatte marschieren wollen. "Putz mir die Schuhe, Anarchist, wir bezahlen Deine Rente."
So gehen die Zeiten ineinander, durcheinander. Weil alles das im Heute spielt und zugleich in der Erinnerung, denn das Trüppchen mit den drei Schwestern Olga (Elisabeth Blonzen), Mascha (Sesede Terzìan) und Irina (Mareike Beykirch), mit Taner Şahìntürks Schriftsteller Paul Anton (bei Volker Braun einstens halb Heiner Müller, halb Braun selber), mit Franz, dem Stasi-Spitzel (Sebastian Brandes), der hallensisch tobt wie nur der berühmteste seiner Landsleute Hans-Dietrich Genscher damals im Außenamt (was nur die wissen, die den so besonnenen Mann im gelben Pullover seinerzeit aus der Nähe erlebten), der Schauspielerin Mette und dem Mascha-Gatten Bobanz (Simon Brusis) – dieses Trüppchen repräsentiert zugleich auch uns, die Zuschauer. Vom Podest auf der Bühne schaut man auf sie hinab ins Parkett, wie sie ihre Plätze suchen, wie sie husten oder brabbeln und weit voneinander in den Sitzen kleben, als hätt' eine neoliberale Vereinzelungs-Zentrifuge sie ausgespien, und wie sie dann aufs Klingelzeichen Mal für Mal erstarren, als seien sie unversehens ins Marthal verschlagen.
Mit laschen Castorfiaden
Wieder und wieder raffen sie sich auf, versuchen die davonflatternden Textzeilen der Übergangsgesellschaft mit einem neuen Sinn, einem neuen Spiel zu erfüllen – und scheitern. Woran? Am Kapitalismus, irgendwie, weil der lügt, "beschissen" ist und keine Ideen hat, am Theater, sowieso, an den Krankheiten, die die Körper zerfressen – "hier tut es weh" –, an der "Frauennot" (der Männer) oder der Kraftlosigkeit, die es gerade mal erlaubt einen Sessel zu schlachten, den eigenen Gatten Kopf voran durch die Heizungsverkleidung zu rammen oder eine Saaltür einzutreten, aber schon für Glaube Liebe Hoffnung und die Flucht nach draußen nicht mehr hinlangt. So rettet sich die Belegschaft in Castorfiaden (Dauerwiederholungen eines Satzes), Momentanerregungen und Ironisierungen der Neue-Mensch- und Sozialismus-Parolen von anno dazumal. Recht eigentlich jedoch handelt es sich bei dem Unternehmen um eine mutwillige Erwartungs-Enttäuschung, um eine Theater-Absage, teils aus Vorsatz, teils aus Regie-Blödigkeit.
Am Ende tritt der weiße Cowboy (Tamer Arslan), der bis dahin die Szene stumm beobachtet hatte, vors Publikum und erzählt die Mär von der großen Dürre im Land der Esel. Deren betont pointenfreie Pointe geht so: Der junge Esel, der ausgeschickt ward, um Regen zu bitten, findet nach langem Suchen endlich Gott. Aber der versagt ihm das Regen-Wunder. "Du glaubst nicht stark genug. Würdest Du wirklich an ein Wunder glauben, hättet Du einen Regenschirm mitgebracht." Großes Gelächter und Black.
In "Domino", dem Film von Thomas Brasch aus dem Jahre 1982, steht Katharina Thalbach auf der Empore des Berliner Hebbel-Theaters und brüllt ins leere Parkett: "Habt Ihr's immer noch nicht begriffen? Das Alte geht nicht und das Neue auch nicht und jetzt sitzt Ihr da!" 30 Jahre später im Gorki Theater ist es so, als schrien die Schauspieler im Parkett diesen selben Satz zu uns herauf auf die Bühne. Weil aber ihre Stimmen versagten, haben wir immer nur Bahnhof verstanden.
Die Übergangsgesellschaft
von Volker Braun
in einer Spielfassung von Lukas Langhoff und Holger Kuhla
Regie und Bühne: Lukas Langhoff, Mitarbeit Bühne: Justus Saretz, Kostüme: Ines Burisch, Musik: Volkan T., Dramaturgie: Holger Kuhla.
Mit: Tamer Arslan, Mareike Beykirch, Elizabeth Blonzen, Sebastian Brandes, Simon Brusis, Marleen Lohse, Taner Şahintürk, Falilou Seck, Volkan T., Sesede Terziyan, Till Wonka.
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
www.gorki.de
Hartmut Krug schreibt auf der Online-Seite des Deutschlandfunks (15.12.2013): Lukas Langhoff und sein Dramaturg Holger Kuhla ließen nicht Volker Brauns Stück, sondern eine eigene "Spielfassung" spielen. Die nehme dem Stück "weitgehend" sein "intellektuelles Fragepotenzial". Stattdessen "albert sich" die Inszenierung unter heftigem Originalitätsdruck "mit viel Geschrei und von Wiederholungszwang geprägten Castorfiaden" durch einen Text, der sich in seinen Bedeutungen nicht erschließe. "Wenig Genaues" erführen wir von "den Problemen der Figuren", viel von ihrem "inneren Druck". Langhoffs Inszenierung verweigere sich allen Erwartungen und scheitere, "weil sie an die Stelle von Brauns Text ein eigenes assoziatives Anspielungs-Gestammel setzt".
Nach "anderthalb irritierenden Stunden" fragt Andreas Schäfer sich im Tagesspiegel (16.12.2013): "Warum nimmt sich der Sohn den Stoff des Vaters vor und stellt sich vorsätzlich dem Vergleich mit einer Arbeit, an der selbst das Neue Deutschland 1988 Thomas Langhoffs 'ausgeprägten Sinn für subtile Stimmigkeit der Szene und für beredte realistische Details' lobte?" Worauf man an diesem Abend tatsächlich vergeblich gewartet habe: auf eine wie auch immer geartete Interpretation. "Kann sein, dass wir der an sein Ende gekommene Turbokapitalismus sein sollen", schreibt Schäfer, das spiele aber eigentlich keine Rolle, "denn bald weiß man, dass die Geschichte weder vor noch nach dem Mauerfall spielt, sondern in der Zeitlosigkeit von Kalauerhausen."
"Was bei Braun ein weit ausgebreitetes Gestrick gegensätzlicher Typen und Ansichten ist, das aufs Zerreißen, auf Veränderung (Übergang) zielt, das ist bei Langhoff/Kuhla bloß noch Nölen", schreibt Reinhard Wengierek in der Welt (16.12.2013) und zitiert: "Der Mensch ein fieser Sack. Die Kerle Machos, die Weiber zum Ficken. Das Theater nichts als ein Plapper- und Verarsche-Betrieb. Demokratie bloß Akzeptanz eines Spiels." Wo, fragt Wengierek sich, bleibt da die schlichte Einsicht, dass das Gorki und sein Umfeld sehr anderes sind als anno 1988? Solcherart gesellschaftlicher Übergang falle flugs aus. "Das Theater der Väter, das etwas sagen will und zu sagen hat, wird von den Söhnen nicht etwa kühn ermordet, sondern zum Gesülze reduziert." So gehe der Übergang des Politischen "ins Banale, auch Blöde".
Für Dirk Pilz hat man es "mit dem seltenen Fall einer Inszenierung zu tun, die aufsehenerregend bräsig, eintönig und nichtssagend, darin aber ungemein aufschlussreich ist". Man wisse nach diesem anderthalbstündigen Abend sehr genau, was das Theater kann, schreibt Pilz in der Berliner Zeitung (16.12.2013), "gerade weil es hier nicht gekonnt wurde". "Und wir nehmen natürlich an, dass genau dies gewollt wurde." Lukas Langhoff habe "Die Übergangsgesellschaft" zum Stück über die welt- und subjektverändernde Kraft des Theaters gemacht, "die es einst bei Volker Braun und seinem Vater noch hatte, jetzt aber – zum bloßen dahininterpretierenden Etwas geworden – eingebüßt hat". "Eine Bankrotterklärung, die als Theaterliebeserklärung gelesen werden möchte." Aber wo aus Volker Brauns Stück die verzweifelte Hoffnung auf eine andere Zukunft spreche, spreche aus Lukas Langhoffs Inszenierung der Zynismus, "die Arroganz der Horizontlosigkeit".
Für Irene Bazinger umschreibt der Begriff Vatermord Lukas Langhoffs textliche Bearbeitung und szenische Umsetzung der "Übergangsgesellschaft" "höchst unzulänglich". Das Originaldrama sei bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, schreibt Bazinger in der FAZ (16.12.2013). "Die Zuschauer sitzen auf der Bühne, die zehn Darsteller quälen sie und sich als durchgeknallt heutige, plump blödelnde Plappertaschen." Bazinger macht's kurz und warnt: "Völker, hört die Signale: Das hier ist nicht bloß ein kleiner Etikettenschwindel, es ist ein absichtlicher, waschechter und genau kalkulierter schamloser Betrug am zahlenden Publikum."
Lukas Langhoff beweise, dass sich Regieerfolge schlecht vererben lassen, findet Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (19.12.2013). "Schon die Idee, diesen sehr an seine Entstehungszeit gebundenen Text reanimieren zu wollen, ist skurril: Das von Braun formulierte Gefühl lähmenden Stillstands in einer überlebten, innerlich ausgehöhlten Ordnung ist nicht unbedingt das Problem der beschleunigten Gegenwart." Als wäre das auch dem Regisseur im Probenprozess aufgegangen, mache er gar nicht erst den Versuch, das Stück zu erzählen. Fazit: "Das Theater kreist selbstverliebt um das Theater. Die neunzig Minuten ziehen sich, und man fragt sich, ob die Leute am Maxim-Gorki-Theater keine anderen Sorgen haben, als ihre Zeit mit solchen Selbstbespiegelungsscherzen zu vergeuden."
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Komplette Kritik: http://stagescreen.wordpress.com/2013/12/15/zuschauer-im-museum/
Allerdings scheinen die Kommentarschreiber ja so mitgenommen zu sein, dass man sich das Stück ansehen muss, weil es die Gemüter so berührt.
Ich glaube nicht das es einen Wechsel gibt. Gewöhnt euch daran oder sucht euch eine andere Abendbeschäftigung oder noch besser zieht in eine andere Stadt. Berlin kann solche Enggestirne nicht gebrauchen.
@ 8: Lieber Herr Krieger: Sie ideologisieren. Tschechow hat mal gesagt, es gibt keine modernen und keine altmodischen Bücher, sondern nur gute und schlechte. Das gilt auch für das postmigrantische und nichtpostmigrantische Theater. Kein Mensch würde was gegen Fatih Akins "Gegen die Wand" oder Feridun Zaimoglus "Othello" (Münchner Kammerspiele) oder "Dede Korkut" sagen. Armin Petras hatte mit Michael Klammer einen wunderbaren Schauspieler mit Migrationshintergrund im Ensemble.
Selbstverständlich bleibt es jedem Zuschauer und jeder Zuschauerin unbenommen, sein/ihr Qualitätsurteil selbst zu fällen. Aber im Falle des Nichtgefallens ein rassistisches Junktim zu unterstellen, ist bodenlos.
Ich sehe ein, dass Anfänge immer mit Risiko und Scheitern verbunden sind und man nachsichtig sein muss. Aber nach vier Produktionen, die ein paar mehr oder weniger ausgelatschter Allerweltsklischees, die als "migrantisch" ausgegeben werden, aus der Tages- und Boulevardpresse wie Marmelade über ein paar Klassiker und Bestseller schmieren, muss ich sagen: ja ich suche mir eine andere Abendbeschäftigung. Im Theater will ich nämlich nicht nur erleben, was ich sowieso an jedem Stammtisch hören kann. Selbst wenn Hans argumentiert, dass dies der Stand der wissenschaftlichen Diskussion sei. Behaupten kann man Vieles. Shermin Langhoff ist in Wahrheit Ariane Mnouchkine. Beweis: Sie beschäftigt SchauspielerInnen mit Migrationshintergrund.
Das Migranten Theater bezeichnen die Medien und die Personen wie sie. Können sie mir erklären was das über die Theaterform aussagt. Ich nicht. Oder gibt es auch Frauen Theater und Deutschen Theater und Mc Donalds Theater oder Bouletten Theater und sind das unsere Theaterfachbegriffe womit wir Theater definieren. Wohl kaum.
Was hat Übergangsgesellschaft mit Migranten zu tun. Habe ich nicht verstanden.
"Lieber Hans, das Argument: "Zieht in eine andere Stadt" hatten wir schon ein paarmal in Berlin. Es waren keine geistvollen Epochen, die zur Nachahmung einluden."
Ich kann deutlich zwischen ihren Zeilen lesen das sie die geistvollen Epochen anscheinend im geiste noch nicht überwunden haben. Damit meine ich Rechtspopulistische Tendenzen zwischen ihren Zeilen heraus zu lesen. Wer mit solchen Begrifflichkeiten so umgeht hat von der Debatte und der Funktion des Theaters nicht verstanden.
Gute Nacht
Sie haben in der Liste dessen, was ich nicht verstanden habe, die Hauptsache vergessen: Sie.
die Diskussionen, die um das Thema des postmigrantischen Theaters kreisen, entgleiten immer wieder. Vielleicht ist das hier der falsche Ort; vielleicht verführt die Anonymität in der Tat zu erschreckenden Respektlosigkeiten. Auch ich (eine Dramaturgin, über diesen Berufsstand haben wir ja an anderer Stelle Aufschlussreiches erfahren), getraue mich nicht, meinen Namen zu nennen,
Vielleicht sollte man wirklich für diese sensiblen Themen geschlossene Foren anbieten, in denen mit eigenem Namen argumentiert wird? Und möglichst - entschuldigen Sie bitte, Hans, dass finden Sie vielleicht elitär, aber sie sind es, der das Niveau beklagt: auf einem anderen sprachlichen und grammatikalischen Niveau, als Ihr Beitrag zeigt.
Aber vor allem geht es mir um das Inhaltliche: Ich finde schon Beitrag 8 fragwürdig, aber dass 'Guttenberg' nun auch noch rechtspopulistische Tendenzen so offen unterstellt werden, ist unsäglich. Begeben wir uns hier nicht auf das Niveau von Publikationen, die wir eigentlich kritisieren sollten?
Wir sollten nicht vergessen, dass nachtkritik die wichtigste Plattform der deutschsprachigen Theaterszene im Netz ist; ich befürchte, wir schaden dem Ansehen des Theaters in unserer Gesellschaft, wenn Theatermacher und Theaterfreunde sich auf diesem Niveau auseinandersetzen.
das ist nicht mehr diskussionswürdig, wie Sie hier rumpolemisieren. Sie erweisen dem Gedanken eines emanzipatorischen Anspruchs auf und abseits von Bühnen einen Bärendienst.
Auch wenn man noch so sehr glaubt im Recht zu sein, muß man wohl aushalten dies auch mal respektvoll argumentativ untermauern zu müssen. Alles andere ist, wie Guttenberg schon treffend gesagt hat Stammtisch-niveau.
Kunst und somit auch das Theater sind doch geschaffen, um uns in emotionale Zustände zu versetzen die uns dazu anregen über Themen zu diskutieren und nachzudenken. Das wurde, so scheint es mir, ausreichend erfüllt. Die Diskussion zeigt doch nur, auch wenn sie leider oft die sachliche Ebene verlässt, das nachwievor noch ausreichender Bedarf an Aufklärung und Sensibilität besteht für das Thema "Migration". Ob das Thema nun direkt angesprochen oder gezeigt wurde, spielt doch keinerlei Rolle, wenn es eben zu einer solchen, vielleicht befruchtenden Diskussion, führen kann.
Es stellt sich mir daher auch immer wieder die Frage für wen Theater eigentlich sein soll? Exklusiv für diejenigen die die "Experten" sind, die mit Erwartungen ein Stück sehen und sich bereits mit einem Thema, einer Problematik auseinander gesetzt haben, oder vielleicht soll es auch diejenigen inkludieren, für die das nicht der Fall ist.
Ich habe das Stück leider bisher nicht sehen können, fand aber die Art und Weise mit der hier argumentiert wurde, oder besser auch beleidigt wurde derart abschreckend, dass ich meine Meinung äußern wollte. Ich werde mir aber das Stück ansehen, da es scheinbar zu einer sinnvollen Diskussion zum Thema "Migration" anregen kann.
ich schreibe hier eher selten, lese aber etwas mehr. Und ich muss es an dieser Stelle einfach mal sagen: Bitte, BITTE!, schreiben Sie doch keine "Ich habe die Inszenierung nicht gesehen, aber…"-Kommentare mehr. Diese Wissenswürste, die Sie hier regelmäßig völlig ahnungslos in die Kommentarspalten pressen, versauen zumindest mir – neben dem zu Recht beklagten Niveau – jegliche Lust hier weiter bzw. mit zu lesen. Also nochmal abschließend und deutlich: Zur Sache, Inga! Sonst Finger still halten!
(Werte Kommentatoren,
bitte verstricken Sie sich jetzt nicht in Privatscharmützel, sondern kommen Sie zum Thema – zur Inszenieurung – zurück.
Andernfalls behalten wir uns vor, die Kommentare nicht zu veröffentlichen.
Freundliche Grüße,
Anne Peter / Redaktion)
Wenn man den Diskurs, den die Stückfiguren über die Hoffnungen führen, die in der DDR mal in den realen Sozialismus gesetzt wurden, auf die Hoffnungen überträgt, die wir heute mit dem postmigrantischen Diskurs verbinden, hätte das ein GRANDIOSES PROJEKT der Selbsterforschung des eigenen Anspruches werden können.
Warum hat das Gorki-Theater diesen Ansatz gescheut oder ist gar nicht auf die Idee gekommen, dass auch seine Utopien "altern" können? Fehlt es ihm etwa an der Bereitschaft zu echter Selbstkritik? Am Mut zur echten Prüfung der eigenen Phrasen?
Ich will endlich wieder experimentelles Theater sehen, das Fragen stellt und Positionen überprüft statt Texte und Zeitgeist-Jargon bebildert.
warum werde ich das gefühl nicht los, dass alles was im maxim gorki theater entstand und noch ist, mit füssen getreten und zerfeiert wird?!
das mgt war gerade noch eine der besten theateradressen!
@eduard: Das Gorki ist mehr denn je eine der besten adressen Berlins, machen sie sich da mal keine Sorgen.
Also man weiß nicht, wieviele Inszenierungen Sie bisher am neuen Gorki gesehen haben, aber ob im Kirschgarten oder vor allem im neuen Studio, hier kann man objektiv gesehen wirklich nicht davon reden, dass keine Fragen aufgeworfen bzw. insbesondere Positionen überprüft würden. Man weiß auch nicht, was Sie mit Texte bebildern meinen. Das tut Theater nun ja in jedem Fall.
Über die Qualität zu diskutieren ist einen andere Sache. Das könnte man wahrlich auch fundierter, als es hier von einigen Herrschaften durchgeführt wird.
Ich kann die Übergangsgesellschaft (nach dem Kirschgarten die zweite Inszenierung, die ich gesehen habe) deshalb empfehlen, gerade weil unendlich viele Fragen aufgeworfen werden. Dass es in MEINEN Augen wahrlich kein großer Theaterwurf ist, mag eine andere Sache sein. Deshalb muss ich aber nicht gleich ein ganzes Theater in die Wüste schicken wollen.
"dann ist das nicht anders zu lesen als eine grundlegende ablehung des postmigrantischen Theaters an sich"
Das ist vielleicht eine Hermeneutik. Sie schließt das "mutatis mutandis" aus...
Das Ensemble agiert relativ heterogen, aber nur in Bezug auf die Spielweise, nicht die Qualität.
Interessant allemal!