Endgegner - Torsten Diehl inszeniert am Hamburger Monsun Theater sein eigenes Stück über die Gewaltspirale in der Menschheitsgeschichte
Taniswurzelsud
von Falk Schreiber
Hamburg, 6. November 2014. Rom, 44 vor Christus: Attentat auf Gaius Julius Caesar. Sarajevo, 1914: Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand. Dallas, 1963: Attentat auf John F. Kennedy. Die Geschichte ist eine endlose Abfolge von Gewalttaten, und wer all das wie Matilde in Torsten Diehls "Endgegner" durchlebt, der hat nichts zu lachen. "Wenn der Endgegner besiegt ist, ist das Spiel an seinem Ende, die Gewalt ist vorbei", beschreibt das Programmheft am Hamburger Monsun Theater die titelgebende Computerspielfigur. "Identifiziert man sich jedoch mit dem Endgegner, geht der Kampf wohl nie vorbei." Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.
Zugegeben, Matilde wirkt nicht besonders glücklich, wie sie durch Diels blutige Szenenfolge watet. Vielmehr desillusioniert, vom eintönigen Alltag, den nicht einmal Gewalt und Wahnsinn ein wenig aufpeppen können – es ist ja klar, dass jede auftretende Figur über kurz oder lang geschlachtet werden muss. Keine Spannung, keine Überraschung. Diel reißt die Handlung, die im Grunde eine große Handlungsverweigerung ist, immer nur an, die kurzen Szenen sind Schlagschatten, angefüllt mit Okkultismus, Sexualität, absurder Geschichtsbetrachtung. Einmal tritt ein Mann in Matildes Leben, erzählt eine grausige Lustmordgeschichte, hängt ein Kruzifix auf – und Black. In der nächsten Szene hängen zwei schwere Schinken im Keller, und blutige Fleischpakete müssen zum Metzger gebracht werden. Während Matilde am Kaffeetisch sitzt, Taniswurzelsud trinkt und auf den Auftritt des nächsten Opfers respektive Sparringspartners wartet.
Zwischen Pathos und Kalauer
Eigentlich hätte Johan Heß bei "Endgegner" Regie führen sollen, die Zusammenarbeit wurde allerdings eine Woche vor der Premiere beendet, weswegen Autor Diehl sich entschloss, das Stück innerhalb von sechs Tagen neu zu inszenieren. Dieser kurzen Probenzeit ist wohl geschuldet, dass nicht alles an diesem Abend rund wirkt: Felicia Gisa Beuck bastelt Matilde noch klug aus einer Mischung von morbider Gothic-Schönheit und Fin-de-Siècle-Ennui zusammen, und Alissa Borchert mag als ewiges Opfer Katharina zwar blass bleiben, ist allerdings als Zielscheibe heftiger Gewaltattacken gerade deswegen nicht ohne Reiz.
Mit der naiven Grete (Laura Doleski) hingegen weiß die Inszenierung nicht wirklich etwas anzufangen, und Martin Westhof in allen Männerrollen wird von Diehl ohnehin schwer im Regen stehen gelassen, also: überhaupt nicht inszeniert. Dazu leistet sich der Regisseur ein paar Mätzchen, die sein Stück eigentlich nicht braucht: Die Dopplung des Gezeigten mittels mehrerer Bildschirme ist genauso unnötig wie das Spiel mit verzerrten Stimmen, die auf einer zweiten Zeitschiene von der Attentatshistorie berichten.
Aber: "Endgegner" ist ein spannender Text, der vom hochtönenden, apokalyptischen Pathos mühelos in einen halb doofen, halb lustigen Kalauer springt ("Die Schweden sind da! Sie wollen, dass wir alle die gleichen Möbel haben, das ist alles so Billy!"). Vor allem aber zeigt "Endgegner" eine beinahe physisch erfahrbare Härte, die mehrfach über den bloßen Schockeffekt hinausgeht – die sexuell konnotierte Gewalt, die dieses Stück den Frauen antut, ist ein Schlag in die Magengrube, den sich ein Drama erstmal trauen muss. Ein Stück, das wehtut, das es einem nicht leicht macht, ein Stück, das sich sperrt, das kämpft. Ein Stück, dem man eine etwas konzentriertere Inszenierung gewünscht hätte, eine Inszenierung, die sich der Vorlage stellt. Als Endgegner.
Endgegner
von Torsten Diehl
Regie: Torsten Diehl, Video: Mued van de Schlaaf, Dramaturgie: Laura Dabelstein, Musik: Murnau-Messner Bros.
Mit: Felicia Gisa Beuck, Alissa Borchert, Laura Doleski, Martin Westhof.
Dauer: 1 Stunde, keine Pause
www.monsuntheater.de
Mehr zu Regisseur und Autor Torsten Diehl? 2013 besprachen wir 12, ebenfalls am Monsun Theater, Hamburgs ältester freier Bühne.
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