Medienschau: Die Zeit – Kampnagel-Chefin verteidigt Einladung von propalästinensischer Klimaaktivistin
Die Grenze der Vielstimmigkeit
Die Grenze der Vielstimmigkeit
26. Januar 2024. "Kritik an der Regierung Israels und propalästinensische Haltungen werden oft vorschnell pauschal als antisemitisch gelesen und entsprechend abgelehnt", sagt die künstlerische Leiterin von Kampnagel Hamburg Amelie Deuflhard im Interview mit der Zeit.
Anlass des Interviews ist Kampnagels Einladung der wegen ihrer propalästinensischen Haltung umstrittenen britischen Klima-Aktivistin Zamzam Ibrahim als Keynote-Speakerin zur Eröffnung eines Festivals. Deuflhard hatte trotz massiver Kritik an der Einladung festgehalten, aus Sicherheitsgründen war Zamzam Ibrahim am Abend des 25. Januar aber nicht leiblich präsent, sondern hielt ihre Rede in Online-Übertragung (hier ein Bericht des NDR von der Rede).
Deuflhard sagt dazu im Interview mit der Zeit, dass sie Ibrahim nicht eingeladen habe, "um auf Kampnagel das Massaker als 'Widerstand' zu verklären". Aber: Es gebe "viel Kritik, auch innerhalb der israelischen Gesellschaft und in den diasporischen jüdischen Communitys, die mit der Politik Netanjahus nicht einverstanden sind." Und diese Kritik müsse auch in Deutschland möglich sein. "Wir müssen klar differenzieren zwischen pauschaler, antisemitischer 'Israelkritik' und progressiven Stimmen, die das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung beklagen."
Gegen Israel zu sein, sei "natürlich Unsinn", so Deuflhard. "Für mich ist die Forderung 'From the river to the sea' ein No-Go, wenn mit ihr das Existenzrecht Israels bestritten wird. Der Slogan wird aber auch so verwendet, dass er Freiheit fordert für alle Menschen, die auf diesem Gebiet leben."
Zamzam Ibrahim selbst fühle sich missverstanden von den deutschen Medien und sage, ihre Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. "Sie hat sich sehr klar von dem Terroranschlag der Hamas distanziert und wundert sich, dass die deutschen Medien über sie schreiben, ohne mit ihr in den Dialog zu treten."
Viele internationale Künstlerinnen und Künstler, die auf deutschen Bühnen, in Museen oder Diskursräumen auftreten sollen, würden derzeit infrage gestellt. "Allerdings werden die Diskurse in deren Ländern anders geführt als in Deutschland", so Deuflhard und verteidigt auch die "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" gegen die BDS-Resolution des Bundestags, von der sich nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mittlerweile einige Mitgründer*innen distanziert haben.
Die mittlerweile zurückgenommene Antidiskriminierungsklausel von Berlins Kultursenator Joe Chialo kritisiert sie: "Wenn du die Kunstförderung an Bekenntnisklauseln knüpft – auch wenn es Bekenntnisse sind, die wir unterstreichen – öffnet das Tür und Tor für die Einschränkung der Kunstfreiheit. Und das ist verfassungswidrig."
Andere Meinungen und Positionen auszuhalten, sei Teil einer freiheitlichen, diversen und offenen Gesellschaft, so Deuflhard. "Dafür werde ich immer eintreten." Die Grenze der Vielstimmigkeit sei "da, wo ich anderen schade. Das heißt nicht, dass ich eine Veranstaltung sofort absage, sobald jemand einen Verdacht äußert."
(Zeit / sd)
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Diese Äußerungen von Frau Deuflhard sind so krass verharmlosend. Den Satz, der überall zur Vernichtung Israels aufruft, so umzudeuten, eine gefährliche Haltung "Unsinn" zu nennen - da trifft schon, was Adorno dargelegt hat: Sprache legt das Denken offen, auch wenn sie es eher verschleiern soll. Erschreckend.