Der Mensch als Raubtier

9. Dezember 2023. Agamemnon kommt aus dem Krieg und ist gezeichnet. Seine Frau hält das nicht davon ab Rache an ihm zu nehmen. Es ist der Kreislauf der Gewalt, der Ulrich Rasche an Aeschylos' Drama interessiert, und er taucht es in Kriegsnebel und erzeugt spektakuläre Bilder und Spiegelbilder.

Von Sascha Westphal

"Agamemnon" © Birgit Hupfeld

9. Dezember 2023. Da erscheint er: Agamemnon, der Anführer des griechischen Heeres, das zehn Jahre zuvor aufgebrochen ist, Troja einzunehmen. Agamemnon, der Zerstörer Trojas, von dem es eben noch hieß: "Vom Glück begleitet kehrt er heim." Doch von diesem Glück ist in diesem Augenblick nichts zu erkennen. Im Gegenteil, er wirkt viel mehr wie ein zerrütteter, ganz und gar gebrochener Mann. Zwei Choreuten müssen den von Thomas Lettow verkörperten Agamemnon stützen. Sie scheinen ihn fast zu tragen, ohne sie könnte er sich kaum auf seinen Füßen halten. Selbst in dem Moment, in dem er sich von den beiden Mitgliedern des Chors löst und beginnt, die Götter zu preisen, und von seinem großen Triumph berichtet, hat er nichts von einem strahlenden Sieger.

Wie immer in den Inszenierungen von Ulrich Rasche wird nun auch Agamemnon in der nach ihm benannten Tragödie des Aischylos von einer teilnahmslosen Bühnenmaschinerie gezwungen, sich zu bewegen. Er muss mit der großen auf der Bühne stehenden Drehscheibe mithalten und zugleich gegen sie ankämpfen. Diese Anstrengung schreibt sich auf eine entlarvende, kaum mehr zu vergessende Weise in Thomas Lettows Körper ein, in seine Bewegungen und in sein Sprechen. Jeder Schritt, den er gegen die Drehrichtung der Scheibe macht, ist der Schritt eines Mannes, auf dem die Last seiner Taten, das Gewicht des Krieges, den er entfacht hat, liegt.

Die Opferung seiner Tochter Iphigenie, die am Anfang des Feldzugs stand, die Gräuel der Belagerung und schließlich der Rausch der Vernichtung haben Agamemnon verwandelt. Als Thomas Lettow über das Gemetzel in Trojas Mauern spricht, "Das Raubtier leckte sich am Blut der Fürsten satt./ Es fraß und fraß!", wie es in der Übersetzung von Walter Jens heißt, scheint er selbst zum Raubtier zu werden. In seinem Blick flackert reiner Blutdurst, und in seiner Stimme schwingt ein Hass mit, der keinerlei Raum für Mitleid oder Menschlichkeit lässt.

Premieren im Zeichen aktueller Kriege

Es gibt keine Aktualisierungen, keine wie auch immer gearteten Verweise auf die jetzige Lage. Dennoch haben sich die Kriege unserer Gegenwart in Ulrich Rasches "Agamemnon" tief eingeschrieben. Als die Inszenierung im Sommer 2022 beim Festival in Epidaurus ihre erste Premiere erlebte, bestimmten die Nachrichten über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine das Geschehen auf der Welt. Die Premiere der auf die Bedingungen der Bühne im Münchner Residenztheater angepassten Version der Inszenierung steht nun ganz im Zeichen des menschenverachtenden Überfalls der Terrororganisation Hamas auf Israel und seine Zivilbevölkerung und des Krieges, den er provoziert hat.

Ulrich Rasche, der Komponist Nico van Wersch und das Ensemble entdecken in Aischylos‘ Tragödie, die den Hass, den jeder Krieg auch im Land des Angreifers sät, und den Kreislauf von Gewalt so präzise einfängt, einen Spiegel unserer Zeit. Hier gibt es keinen Abstand mehr, der zwischen der Antike und dem Heute liegt. Das Archaische des Textes und seiner Sprache führt direkt zum Kern unserer Welt. Und für den hat Rasche mit der von ihm entworfenen Bühne ein grandioses Bild gefunden. In der Mitte der großen Drehscheibe steht ein langer Steg aus Metallplatten, in die in regelmäßigen Abständen Löcher gestanzt wurden. Im Inneren des Stegs befinden sich Nebelmaschinen und Scheinwerfer, die die Szenerie in einen fahlen, mal mehr, mal weniger von Nebelschwaden durchzogenen Raum verwandeln. Der Nebel des Krieges.

Besessen von den Mechanismen der antiken Tragödie

Auf dem Steg stehen eine Live-Musikerin und drei Musiker, die fortwährend auf einem aus verschiedenen Hölzern gebauten Marimbaphon spielen. In einem archaischen Rhythmus, der die Schritte, die Haltungen der Körper und das Sprechen der zehn Spielerinnen und Spieler gefangen zu nehmen scheint. Sie alle sind eben nicht nur der Drehung der Bühnenmaschine unterworfen. Auch Nico van Werschs immer wieder an- und wieder abschwellende Komposition ergreift quasi Besitz von ihnen. 

Agamemnon Pia Haendler und Ensemble Foto Birgit Hupfeld 7421Sinnt auf Rache: Pia Händler (Klytämnestra) © Birgit Hupfeld

In den sechs spiegelnden, in zwei parallelen Reihen angeordneten Quadraten, die in einigen Szenen so über der Bühne hängen, dass das Publikum das Geschehen auf der Drehscheibe gleichzeitig frontal und von oben gespiegelt betrachten kann, wirken die Bewegungen des Ensembles beinahe tänzerisch. Es ist, als seien Pia Händlers Klytämnestra und der Chor regelrecht besessen von den Mechanismen der antiken Tragödie. Der Fluch, der auf Agamemnons Familie liegt, und der Krieg gegen Troja löschen alles andere aus. Niemand auf dieser Bühne ist auch nur ansatzweise Herr seines Handelns.

Es ist absolut faszinierend und zugleich immer wieder überraschend, welche Bandbreite von Empfindungen und Haltungen der neunköpfige Chor ausdrücken kann. Jeder Schritt, jede Krümmung der Körper beschwört etwas Anderes, Neues herauf. Mal wirken die neun Choreuten unterwürfig und ängstlich, der Macht der Herrschenden schutzlos ausgeliefert. Mal erfüllt sie ein Hass auf die Mächtigen, der jederzeit aus ihnen herausbrechen könnte.

Der Kreislauf der Gewalt

Alle Figuren der Tragödie außer Klytämnestra sind Teil des Chores. Nur in den Momenten ihrer Auftritte treten Agamemnon, Menelaos, der Bote, Kassandra und Ägisth aus der Gruppe heraus. Alle sind Teil des Kriegsgeschehens. Seiner Maschinerie kann sich niemand entziehen, weder die Führer des Heers noch die Zivilisten, weder die Kämpfenden noch die Angehörigen der Gefallenen. Den Konsequenzen kriegerischer Akte entkommt keiner.

Agamemnon Ensemble Foto Birgit Hupfeld 7402Kriegstanz in eindrücklichem Bühnenbild © Birgit Hupfeld

Nur Pia Händlers Klytämnnestra scheint sich in einer anderen Sphäre zu bewegen. Meist trennt der Steg sie von dem Chor. So wird aus "Agamemnon" mehr und mehr die Tragödie einer Frau, die aus Rache für den Opfermord an ihrer Tochter zum Äußersten geht. Wenn sie Agamemnon begrüßt und ihm schmeichelt, wenn sie gegenüber dem Chor ihre Freude über das Ende des Krieges verkündet, dann ist das alles Verstellung. Und diese Verstellung verzerrt Händlers Züge regelrecht. Ihre Klytämnestra geht ganz in ihrer Verachtung für ihren Mann, ihrem Ekel und ihrem Zorn auf. 

Insofern ist es geradezu zwingend, dass sie und ihr Mitverschwörer, der von Lukas Rüppel verkörperte Ägisth, nach dem Doppelmord an Agamemnon und Kassandra nackt auftreten. Sie haben sich von allem entblößt. Die Verstellung hat ein Ende. Der Kreislauf der Gewalt ist zwar nicht am Ende angekommen, aber an einem Punkt, an dem ihn nichts mehr verhüllt. Das Raubtier Mensch ist endgültig entfesselt und erinnert, das ist die bittere Ironie dieser Inszenierung, an Darstellungen von Adam und Eva im Paradies.

Agamemnon
von Aischylos
Deutsch von Walter Jens
Inszenierung und Bühne: Ulrich Rasche, Komposition und Musikalische Leitung: Nico van Wersch, Kostüme: Romy Springsguth, Chorleitung: Jürgen Lehmann, Licht: Gerrit Jurda, Dramaturgie: Michael Billenkamp.
Mit: Pia Händler, Thomas Lettow, Moritz Treuenfels, Niklas Mitteregger, Max Rothbart, Liliane Amuat, Anna Bardavelidze, Barbara Horvath, Myriam Schröder, Lukas Rüppel, Live-Musiker*innen: Sebastian Hausl, Felix Kolb, Cristina Lehaci, Fabian Strauss.
Premiere am 8. Dezember 2023
Dauer: 2 Stunden, keine Pause

www.residenztheater.de

 Kritikenrundschau

"Die Art, in der Regisseur Ulrich Rasche den Chor inszeniert, wie er ihn formt und fasst, zur Person macht und dann wieder ins Unbestimmte einer objektiven Instanz entlässt, ist das herausragende Ereignis dieses Theaterabends", schreibt Simon Strauß von der FAZ (11.12.2023). "Ohne jede Modernisierung, ohne je der Versuchung von Aktualisierungen zu erliegen, konzentriert er seine Inszenierung ganz auf den Text (Übersetzung: Walter Jens). Den allerdings unterwirft er seinem monotonen Manierismus in gewohnt unnachgiebiger Manier, die Worte klingen immer gleich, die Sätze verlieren ihre Melodie und Farbe. Das kann stören und schmerzen – in der Gesamtschau aber überwiegt das Staunen über den erbarmungslosen Ernst dieser Inszenierung."

Mitunter entstehe ein Sog an diesem Abend, schreibt Egbert Tholl von der SZ (11.12.2023). Aber wohin treibt der einen? "Zu kaum einen der zehn Menschen auf der Bühne, schon weil Aischylos es verweigert, dass man Individuen nahe kommen kann. So goutiert man im Dröhnen der Worte grandiose Bilder, Lichtstelen im Nebel, Lichtflächen im Hintergrund, alles imposant, aber auch hemmungslos."

"Das Morden wird weiter gehen. Daran lässt Rasche keinen Zweifel", schreibt Anne Fritsch von der Abendzeitung (11.12.2023). "Für diese Botschaft setzt der Regisseur auf viel Effekt, vielleicht ein wenig zu viel. Der Abend ist genau so, wie man ihn von Rasche erwartet. Das ist ein bisschen schade. Dieses Theater ist anstrengend, es nervt und zermürbt. Es ist aber ohne Frage eines, das der Welt da draußen ziemlich nahekommt."

Für Katja Kraft vom Münchner Merkur (11.12.2023) geht Rasches Konzept auf Dauer nicht auf. Was ihr fehlt? "Dass diese tollen Schauspielerinnen und Schauspieler, für die man ins Theater kommt, dass die sich zeigen, ihr individuelles Spiel präsentieren dürfen." Genau das tue Pia Händler in einer Szene als Klytämnestra. "Diese Frau hat keine Scham mehr, entleibt sich, um den Mord an ihrer Tochter zu rächen. Das beeindruckt. Warum nicht gleich so?"

Kommentare  
Agamemnon, München: Abgespultes Narrativ
trotz Begeisterung für die Choristen klingt das für mich wie das zum 80.000ten Mal abgespulte Narrativ frauenfeindlicher, gewaltliebender Regisseure. Sie sagen dann immer, sie wollen die Gräuel des Kriegs zeigen (als ob wie nicht schon genug Bilder davon hätten). Na klar. Genau.
Agamemnon, München: Albtraum
Das Stück hat viel versprochen und nicht nichts gehalten. Es war noch nicht einmal ein anschaubar. Der hoch gelobte Chor erzählt die Geschichte nach, viel Schauspiel geschieht dabei nicht. Damit die Damen und Herren ohne singen zu müssen gleichzeitig sprechen konnten, wurde im Tackt von-einem-Wort-alle-drei-Sekunden zu Trommel Begleitung geredet und ab und zu geschrieen. Es entstand ein akustischer Albtraum in nervenzerstörender Monotonie. Wenn doch Einzelne sprechen, behielten diese das gleiche Tempo bei. Ab und zu fehlten Worte, weil der Chor nicht deutlich vernehmbar war(das im Hintergrund hörbare anzählen half da wohl nicht), oder auch, weil die Schauspieler, nachdem sie mehrere Minuten für einen Satz gebraucht hatten, ein oder zwei Worte vergaßen. Einmal spaltete sich der Chor sogar zu Chören auf, mit dem Erfolg, dass die nächsten drei Minuten unverständliches Chaos waren. Die Schauspieler bewegten sich nur im Kreis auf der Drehscheibe, damit war die Gewaltspirale schon abgearbeitet, das Geschehen ließ nämlich nicht auf eine Geschichte Rückschließen, da sich wohl niemand auf einen konkrete Abfolge des Geschehen einigen konnte. Nah an den Griechischen Erzählungen war es auch nicht (Menelaos ist im Sturm ertrunken?) und Agamemnon kam in der ersten Stunde nur einmal kurz vor, er musste seine Tochter opfern, dabei tat er sich selbst schrecklich Leid, und dann wurde viel Zeit darauf verbracht Iphigenies Fesseln zu schildern (s.h. Kommentar über mir). Mit klassischem Theater hat das nichts mehr zu tun. Es was Sprechgesang, der nur durch sein Schweigen glänzte, die Trommler waren nämlich ziemlich gut.
Die Publikumsrezeption schien mein Erlebtes widerzuspiegeln.
In unserer Reihe haben merer Leute geschlafen, einige gingen vorzeitig.
Ich würde weder meine Zeit noch mein Geld (nochmal) auf so etwas verwenden.
Agamemnon, München: Projektionsfläche
Ich verstehe, wenn man etwas laut oder formstreng findet und wenig damit anfangen kann. Was ich nicht verstehe, ist die übertriebene Reaktion auf die Inszenierung wie in den Kommentaren oben.

Es scheint so, als wäre so eine Arbeit wie diese eine Projektionsfläche, auf die man alles Beliebige projizieren kann, was man am Theater, an der Gesellschaft oder an der Theatergeschichte kritisieren möchte. Random!!

Es geht hier um ein sehr interessantes Zusammenspiel von Sprache und Rhythmus, mit großartigen Spielerinnen!
Agamemnon, München: Erschreckend
Ulrich Rasche konnte durchaus mehrfach mit seinen sehr eigenen, immer wieder ähnlichen Inszenierungen überzeugen. Die Elemente sind immer gleich: Das langsame durchgängige Voranschreiten der Personen auf sich bewegendem Untergrund, Dunkelheit, die reine Textbetonung, kein „Schauspiel“, Gehen und Reden/Brüllen, im Hintergrund Musik/Sound/Rhythmen. Ja, es gab Inszenierungen von ihm, in denen durch seine Methode dieser „pompösen Literaturschows“ (es ist nicht „Theater“) der gewollte Fokus auf das Wort und die Entwicklung einer Geschichte gut deutlich wurden. Inszenierungen, in denen man die Personen sehr gut erkannte. Bei „Agamemnon“ aber war es too much! Optisch wieder höchst eindrucksvoll, aber ansonsten eher erschreckend! Geht es um Krieg, um Agamemnons Egomanie, um die Opferung der eigenen Tochter, um Rache, Klytaimnestra, Mythologie? Die Optik erschlägt den Inhalt, der Fokus auf Klytämnestra funktioniert nicht. Man darf doch die Zuschauer nicht nur mit Optik fangen! Die vielschichtige Tragödie „Agamemnon“ wird monströs erzählt, aber warum?

Meine Besprechung komplett unter www.qooz.de
Agamemnon, München: Grande!
Großartige Bilder, starke Spieler, tolle Konzentration auf Text. Ein Bisschen mehr Melodie und Farbe und die Inszenierung wäre noch großartiger.
Agamemnon, München: Heimspiel
Dieser „Agamemnon“ eignet sich hervorragend als ein Rasche-Abend für Einsteiger. In den vergleichsweise kurzen zwei Stunden führt der Regisseur all seine Markenzeichen vor, an denen sich die Geister der Theaterwelt scheiden. Es hat immer noch eine große Meisterschaft, wie der Chor von Nico von Werschs Klangteppich vorwärts gepeitscht wird, auch wenn regelmäßigere Theatergänger diese Versatzstücke bereits aus mehreren Inszenierungen kennen und der Stil mittlerweile wie von Claudia Bauer in ihrer „Valentiniade“ karikiert wird.

Allerdings fehlt diesem „Agamemnon“ auch etwas. Zu sehr wirkt dieser Abend wie ein Heimspiel, das auf vertrautem Gelände seine eigene Virtuosität ausstellt. In einem Theaterjahr, das mit Rasches Ausflug ins Lustspiel-Fach mit Georg Büchners „Leonce und Lena“ am Deutschen Theater Berlin begann und mit dem raren Auftritt der Ausnahmespielerin Valery Tscheplanowa als „Nathan der Weise“ bei den Salzburger Festspielen einen Höhepunkt hatte, wirkt dieser Antiken-Abend wie eine routinierte Fußnote, die von wuchtigeren Abenden überstrahlt wird. Dem „Agamemnon“ fehlen die Reibung mit dem unerwarteten Genre und die besondere Strahlkraft einer solchen Protagonistin, die mit dem strengen Korsett spielt und über es hinauswächst.

Eine Entdeckung gibt es unter so viel Vertrautem und nur leicht Variiertem aber doch noch zu machen: unbedingt hervorzuheben ist Pia Händler als Klytemnästra, die als einzige Figur ein wenig Individualität bekommt und nicht vom Chor vereinnahmt wird. In ihrem Auftritt vorne an der Rampe verdichtet sich diese Erzählung vom ausweglosen Kreislauf der Gemetzel eindrucksvoll.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2023/12/23/agamemnon-residenztheater-munchen-kritik/
Agamemnon, München: Wunderbar
Wunderbares Theater, in dem angefangen vom atmosphärischen Grundton, über den Rhythmus der Sprache und schließlich der Präsenz der Schauspieler einen so vieles anregte und mitnahm durch die Themen des Stücks. Über die Gründe für Krieg, die Zwangsläufigkeit, dem Gewalt und Krieg Krieg und Gewalt hervorbringt und die eigenen Kinder vernichtet, und die schier nicht zu erreichenden Voraussetzungen für Frieden, der nur über den Verzicht auf Vergeltung zu erreichen ist. Vielen Dank für diese Inszenierung zu dieser Zeit. Besser kann man Theater, das einen im Leben anregt kaum machen.
Agamemnon, München: Doppelfehler
Wir haben das Stück im Rahmen unseres Abonnements im Residenztheater gesehen. Nachdem wir bereits die Räuber in der Pause verlassen hatten, hätte uns bei der Nennung des Regisseurs klar sein müssen, auf was die Inszenierung hinauslaufen würde: monotones Deklamieren des Textes auf einer sich enervierend penetrant im Kreis drehenden Bühne. Viel Lärm um fast nichts. Das Ärgerlichste der Inszenierung ist aber das doppelte Missverstehen der griechischen Tragödie: Zunächst wird das Stück psychologisiert, als ob die handelnden Personen eine Wahl gehabt hätten und nicht ihrem Schicksal folgen mussten. Dann wird die Psychologisierung jedoch in die seelenlose Monotonie marschierender Schauspieler wortwörtlich eingestampft.

Nichts an dieser Inszenierung ist raffiniert, weder das Schauspiel noch das Bühnenbild. Die musikalisch-rhythmische Untermalung ist im Ansatz keine schlechte Idee, doch auch sie wird über die Dauer der Inszenierung zum seelenlosen Taktgeber, der undifferenziert und aufdringlich eingesetzt wird. Viel mehr als das sinnlose Geschrei der Schauspieler wäre, will man den Agamemnon unbedingt in die heutige Zeit versetzen, dem antiken Stück die Verlegung in ein vom Kriegsschauplatz entferntes militärisches Hauptquartier gerecht geworden, in dem die Herrschenden teilnahmslos den Krieg besprechen und ihre Generale austauschen, während sie den Krieg selbst als ausweglose Notwendigkeit bezeichnen.
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