meldung

Schauspielerin Sandra Hüller erhält Douglas-Sirk-Preis

Sandra Hüller bei der Berlinale 2023 © Elena Ternovaja, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

15. August 2023. Beim Filmfest Hamburg hat die Schauspielerin Sandra Hüller den Douglas-Sirk-Preis 2023 erhalten. Das meldet Deutschlandfunk Kultur.

Herausragende europäische Schauspielerin

Ausgezeichnet wird Sandra Hüller als "eine der zurzeit herausragendsten europäischen Schauspielerinnen", teilt das Filmfestival mit. "Sandra Hüller beherrscht die ganze Bandbreite von Emotionen und Wesensmerkmalen und verleiht somit jeder Rolle besondere, unverkennbare Attribute. Auf der Leinwand genau wie auf der Theaterbühne", heißt es in der Pressemitteilung. "Sie vereint das Leidenschaftliche, Grenzüberschreitende, Komische, Verschmitzte und Legere."

Sandra Hüller wurde 1978 in Thüringen geboren und studierte an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Ihr erstes Engagement führte sie bis 2001 ans Theaterhaus Jena. Darauf folgten Stationen am Schauspiel Leipzig, dem Theater Basel und den Münchner Kammerspielen, als Gast spielte sie auch bei den Salzburger Festspielen, der Ruhrtriennale und dem Schauspiel Bochum. 2007 war sie in Sebastian Nüblings Basler Inszenierung von "Dido und Äneas" erstmals beim Berliner Theatertreffen zu sehen. 2013 erhielt sie dort den 3sat-Preis für ihren Auftritt in Elfriede Jelineks "Die Straße. Die Stadt. Der Überfall", inszeniert von Johan Simons an den Münchner Kammerspielen.

Als Filmschauspielerin bekannt wurde Hüller durch ihre Rolle der Michaela Klingler in Hans-Christian Schmids "Requiem" (2006). Für ihre Darstellung der an Epilepsie erkrankten jungen Frau erhielt sie bei der Berlinale 2006 den Silbernen Bären als beste Darstellerin. Internationale Aufmerksamkeit erhielt Hüller für ihre Darstellung der Ines Conradi in Maren Ades Film "Toni Erdmann", der 2016 in Cannes Premiere feierte und für den sie gemeinsam mit ihrem Filmkollegen Peter Simonischek den Europäischen Filmpreis als Beste Darstellerin erhielt

Douglas-Sirk-Preis

Verliehen wird der Douglas-Sirk-Preis seit 1995 an Persönlichkeiten, die einen besonderen Beitrag zur Filmkultur und zur Filmindustrie geleistet haben.  Preisträger*innen waren unter anderem Clint Eastwood, Jodie Foster, Isabelle Huppert, Andreas Dresen und Peter Rommel, Tilda Swinton, Fatih Akin, Catherine Deneuve, Wim Wenders, Jafar Panahi oder Nina Hoss. Benannt ist der Preis nach dem Hollywood-Regisseur Douglas Sirk, der als Hans Detlef Sierck in Hamburg geboren wurde und 1937 mit seiner zweiten Frau, der jüdischen Schauspielerin Hilde Jary, in die USA auswanderte.

Die diesjährige Preisverleihung findet am 30. September in Hamburg statt, anlässlich der Deutschlandpremiere von "Anatomie eines Falls" der Regisseurin Justine Triet. Das französische Gerichtsdrama, mit Sandra Hüller in der Hauptrolle der Tatverdächtigen, die des Mordes an ihrem Ehemanns angeklagt wird, hatte die Goldene Palme 2023 in Cannes gewonnen. In Cannes wurde 2023 zudem "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. In diesem zweiten Film mit Sandra Hüller spielt sie als Gattin des Kommandanten im KZ Auschwitz, Rudolf Höss, ebenfalls eine Hauptrolle.

(Filmfest Hamburg, Deutschlandfunk Kultur / eph)

Kommentare  
Douglas-Sirk-Preis an Sandra Hüller: Intensives Psycho-Drama
Die Handlung dieses 2,5stündigen Films ließe sich sehr knapp zusammenfassen: Samuel (Samuel Thies) wird tot im Schnee gefunden. War es ein Unfall, als er das Dachgeschoss ausbauen wollte? Sprang er in den Suizid? Oder hat ihn seine Frau Sandra (Sandra Hüller) ermordet? Diese Frage soll eine Geschworenen-Jury in Grenoble aufklären.

Wie Hauptdarstellerin Hüller und das Drehbuch-Duo (Justine Triet und Arthur Harari) aus diesem knappen Exposé ein intensives Psycho-Drama entwickeln, ist ein besonderes Kino-Ereignis. Stundenlang wird um die Wahrheit gerungen, werden neue Indizien bewertet, Experten gehört und privateste Details aus einer offensichtlich schwierigen Ehe ausgebreitet.

Die große Leistung von Hüller und Triet ist es, dass sie die Wahrheitssuche bis zum Schluss in der Schwebe halten. Das Pendel schwingt mal leicht in diese Richtung, kurz danach aber schon in jene Richtung: Die Staatsanwaltschaft konfrontiert die Star-Schriftstellerin Sandra Voyter mit bohrenden Nachfragen und Details, die es sehr wahrscheinlich erscheinen lassen, dass sie die Mörderin ist. Zu zerrüttet wirkt diese Ehe für Außenstehende. Das fast 10 Minuten lange, von ihm heimlich auf dem Handy mitgefilmte Streitgespräch in der Küche der Familie, in dem Vincent seiner Partnerin vorwirft, dass sie ihm Ideen klaue, ihn einenge, er sein ganzes Leben nur um sie herum planen müsse, kontert sie jedoch mit so luziden Argumenten und so souverän, wie sie auch später im Gerichtssaal allen Vorwürfen widerspricht. Deshalb gibt es auch häufige Momente, in denen der Zuschauer fast sicher ist: Nein, diese Frau ist keine Mörderin und wird hier als Unschuldige im Verhör in die Enge getrieben.

Hüller ist das Zentrum dieses Films, ohne eine Ausnahmekönnerin wie sie, würde dieses fragile Konstrukt scheitern. Sie schafft es, „beide Frauen zugleich zu sein, die Schuldige und die Unschuldige. Die Täterin und das Opfer. Das Monster und die hilflos Entstellte“, wie Philipp Stadelmeier in seiner SZ-Hymne schrieb. Selbst für ihre Verhältnisse spielt Hüller herausragend.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2023/11/05/anatomie-eines-falls-film-kritik/
Kommentar schreiben